Dänemark in Afghanistan. Die Nähe des Unwissens.
Originaltitel: Krigen
Produktionsland: Dänemark
Veröffentlichungsjahr: 2015
Regie: Tobias Lindholm
Drehbuch: Tobias Lindholm
Produktion: Rene Ezra, Tomas Radoor
Kamera: Magnus Nordenhof Jønck
Montage: Adam Nielsen
Darsteller: Pilou Asbæk, Søren Malling, Dar Salim, Tuva Novotny, Charlotte Munck u.A.
Laufzeit: 115 Minuten
A War, ein Krieg, tobt in Afghanistan. Der dänische Kompaniechef Claus Michael Pedersen (Pilou Asbæk) und seine Männer sind wie viele andere Soldaten auch in der Ortschaft Helmand stationiert. Claus‘ Frau Maria (Tuva Novotny) muss sich zu Hause in Dänemark derweil allein um die drei Kinder kümmern, die ohne ihren Vater aufwachsen, wenn er sich im Einsatz in fernen Regionen der Welt befindet. Dann aber kehrt Claus doch unerwartet wieder in seine Heimat zurück – nicht jedoch, weil er Heimaturlaub hätte, sondern weil ihm ein schweres Kriegsverbrechen zur Last gelegt wird. Während einer Routinemission ist er ins Kreuzfeuer der Taliban geraten und hat eine schwerwiegende Entscheidung getroffen, um seinen Männern das Leben zu retten. Doch war diese Entscheidung die richtige?
Quelle: moviepilot.de
Replik:
Tobias Lindholm ist bisher neben seiner Regie-Tätigkeit („R“, „Hijacking“) eher als Co-Autor für Thomas Vinterberg bekannt. Dass seine Filme deswegen einen Fokus auf komplex geschriebenen Handlungen aufweisen, überrascht weniger. Mit „Krigen“ (gesprochen: Krihn) wurde er dafür sogar mit einer Oscar-Nominierung geehrt, auch wenn die sehr amerikanische Thematik des Afghanistan-Krieges sicher auch ihren Anteil dazu leistete (schon bei Susanne Biers „Brothers“ brachte dasselbe Sujet Hollywood-Aufmerksamkeit und ein US-Remake ein). So wenig neu das Sujet und der Kernkonflikt eines Soldaten, der für eine Fehlentscheidung vors Kriegsgericht gestellt wird, so überraschend gelungen ist dann aber doch der fertige Film. Ein pointiertes Drehbuch und routiniertes Regie-Handwerk täuschen darüber hinweg, dass „Krigen“ nichts Neues erzählt.
Funktionale Kinematografie
Zu einem frühen Zeitpunkt im Film wähnt man sich noch in einem schlechten und klischeehaften Doppelbegriff des Wortes „Krieg“, denn Lindholms Film beginnt sowohl an der Kriegsfront Afghanistans an der Schulter des Offiziers Claus Pedersen als auch zuhause in Dänemark im Haus der Familie Pedersens, wo drei muntere und aufmüpfige Kinder Claus‘ Frau Maria mächtig auf Trab halten. Ein Vergleich zwischen Lebensgefahr und moralischer Verantwortung auf der einen Seite und der Schwierigkeit der Kindererziehung im sicheren Sozialstaat Dänemark auf der anderen Seite wäre das vollkommen falsche Signal gewesen, aber daraus windet sich „Krigen“ schnell heraus. Es ist eine Stärke des Films, dass er sein moralisches Dilemma eines versehentlich angeordneten Luft-Angriffs auf ein ziviles Ziel, samt weiblicher und minderjähriger Kollateralschäden, nicht bereits zum Beginn des Films preisgibt. Die Szene, in der diese Entscheidung getroffen wird, ist genauso unübersichtlich geschnitten und gefilmt, wie sie für den Soldaten in dieser Situation gewesen wäre. In dieser Szene rettet Offizier Petersen das Leben seines Kameraden und niemand wähnt eine rechtliche Konsequenz ihres Handelns. Auch später erscheint, zumindest für einen Laie, der keine weiteren Kenntnisse über den Begriff „PID“ („Positive Identification“, sprich: Der Feind ist im anzugreifenden Arreal erfolgreich identifiziert) mitbringt, die tatsächliche Schwere des Handelns erst, als Vorgesetzte auftauchen und ihn informieren, dass er vor ein Kriegsgericht gestellt wird. So verwackelt und nah die Kamera immer (nicht nur in den Gefechtsszenen) an den Figuren dran ist, so sehr wird auch der Zuschauer mit einer Nähe des Unwissens bzw. des Nicht-mehr-als-die-Figuren-Wissens belastet. Ästhetisch ist das nicht besonders spannend, aber es ist handlungsorientiert sehr konsequent und zielführend eingesetzt.
Krieg bleibt aussichtslos
Das Drehbuch ist äußerst detailreich und nimmt sein Thema ernst, was man allerdings auch erwarten kann, bei einer schon so oft gesehenen Thematik wie hier. Gerade in den Gerichts-Szenen zum Schluss beweist Lindholm saubere Recherche. Über den einfachen moralischen Fall hinaus weist der Film aber auch erfolgreich auf die Aussichtslosigkeit des Afghanistan-Kriegs, da er einmal mehr als völliges Chaos dargestellt wird, in dem kaum zwischen Freund und Feind zu unterscheiden ist. Ein Problem des Films „Krigen“ ist aber, dass die Emotionalität der Handlung, die in den Familienkonflikten immer wieder als Teil des dramatischen Konzepts hervorgehoben werden, nur sehr schwerlich durchbricht. Es scheint, als wollte Lindholm einen kühlen, männlichen Film drehen, ganz im Gegensatz zu seiner Regie-Kollegin Susanne Bier oder der deutschen Feo Aladag, die mit „Zwischen Welten“ einen ähnlichen Film abgeliefert hat. Das ist ihm auch durchaus gelungen, aber ein bisschen mehr lyrische Momente des Mitfühlens hätte ein Film vertragen können, wenn er schon mit einer einsamen Zigarette im Garten endet.
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