Schlechtheit 2015 in der Retrospektive: Scheitern & Gefährlichkeit.
Machen wir also mal bei der Blogparade des Filmtipps mit, um nochmal einen negativen Rückblick auf das Kinojahr 2015 zu werfen. Wie man mit filmischer Schlechtigkeit umgehen sollte, ist eine noch nicht gänzlich beantwortete Frage. Man kann nämlich Filme nicht nur nach handwerklicher Schlechtigkeit auflisten, dann würde eine Liste herauskommen, die von Filmen angeführt wird, die gar nicht gut sein wollen. Es wäre eine äußerst banale Liste, auf der irgendwelche seelenlosen Direct-to-DVD-Müllprodukte stehen würden. Der Grund, warum ich solche Filme nicht in eine Liste packen will, ist aber nicht unbedingt der, dass ich sie eh kaum schaue oder dass ich den Filmen damit Werbung durch Aufmerksamkeit geben würde (auch wenn das ebenso stimmt), sondern vielmehr, dass dies gar nicht meine Definition von Schlechtigkeit trifft. Wirklich schlechte Filme sind einerseits die, die eigentlich gut sein wollen, aber scheitern — hierzu ist eine Liste der größten Enttäuschungen sinnvoll, wie ich es letztes Jahr handhabte — und andererseits Filme, die wirklich als Grundidee schon unsinnig oder sogar gefährlich sind.
Der gescheiterte Film (Enttäuschungen):
2015 scheiterten nicht nur einzige Filme, sondern zwei gesamte Festivals, zumindest ihre Jurys. Die Coen-Brüder verfielen der Versuchung inmitten der Flüchtlingskrise „Dheepan„, einen Flüchtlingsfilm auszuzeichnen, ungeachtet der Tatsache, dass das nicht nur der schlechteste Film des Wettbewerbs, sondern womöglich sogar der jüngeren Festivalgeschichte war. Man könnte den Film sogar in die untere Nennung der „gefährlichen“ Filme einordnen, denn das was der Film zeigt, ist Wasser auf die Mühlen rechter Ideologen. Nur hoffe ich, dass Jacques Audiard keine Flüchtlingshetze beabsichtigte, sondern hier künstlerisch (vor allem dramaturgisch) einfach scheiterte. Zum Glück schauen rechte Vollidioten eh keine Cannes-Gewinner.
Die zweite Festival-Jury, die scheiterte, war die Berliner, allerdings war es hier ein zu verschmerzender Irrtum, ein Polit-Pamphlet wie „Taxi Teheran“ auszuzeichnen, das zweifellos gut, aber doch schlechter war als es hätte sein müssen. Den Bären hätte natürlich „Victoria“ bekommen müssen. Mein ganzes Mitleid gebührt Sebastian Schipper, der als nicht besonders berufserfahrener Regisseur den mutigsten und besten deutschen Film der letzten Jahre aufstellt und dafür weder den Bären, noch den Europäischen Filmpreis, noch eine Oscar-Nominierung bekommt. Und dann laut gewisser Quellen nicht einmal in der Top 50 (!) der erfolgreichsten Kinostarts in Deutschland war. Wie traurig ist diese Welt manchmal. Wäre es mein Film gewesen, ich hätte mich in der Medienlandschaft so laut ausgekotzt wie niemand zuvor. Schweiger hätte neben mir ausgesehen wie ein schüchterner Taubstummer. Sebastian Schipper hat wohl zweifellos den besseren Charakter als ich. Immerhin hat er ja auch beim Deutschen Filmpreis ein paar Würdigungen bekommen. Wenigstens das.
Enttäuschend finde ich auch die neue Welle des Horrorfilms. Viel wird darüber geschrieben, wie erfrischend altmodisch Filme wie „Der Babadook“ oder „It Follows“ sind. Da frage ich mich bei aller Liebe: Wer soll sowas spannend finden? Es ist einfach langweilig. Die „Saw“-Reihe war auch scheiße, aber die hat wenigstens irgendwas bei mir ausgelöst, und sei es nur Ekel. Diese Filme (zu denen auch „Conjuring“ zu zählen sind), sind alberner Horror-Kitsch. Und ich kann auch nicht behaupten, dass diese Filme von mir einfach an schlechten Tagen geschaut worden. Sie haben mir beide Sex eingebracht. Aber verwundert hat es mich doch, zu sehen, wie die Date-Dame sowas wie „Der Babadook“ wirklich schlimm finden kann.
Streberfilme wie „Carol“ oder „Ewige Jugend„, die fast jeder gefeiert hat, haben mich auch enttäuscht, weil hinter ihrem schönen Handwerk nicht viel dahintersteckte.
Der gefährliche Film:
Abgesehen davon, dass „Fifty Shades Of Grey“ nicht nur ein handwerklich schlechter Film ist, ist er auch in jeglicher Hinsicht gefährlich, in der ein Film nur gefährlich sein kann. Er ist erstmal komplett prüde und feige darin, Dinge zu zeigen, die das Thema an sich schon provoziert, gezeigt zu werden. Er ist zudem ein Film, der kommerziell ausgerichtete Dramaturgie völlig neu definiert, weil er gar nicht zu Ende sein will, schon danach lechzt, im zweiten Teil weitergehen zu dürfen. Und dann abschließend ist dieser Film eine komplette Absage an den Feminismus, an die Kapitalismuskritik, an alles, was die Gesellschaft bis ins Jahre 2016 aufgebaut hat. Wie kann das ein so erfolgreicher Film sein? Wir müssen uns wirklich Sorgen machen. Womöglich war das der schlechteste Film aller Zeiten.
Gefährlich war auch der amerikanische Propaganda-Film „American Sniper“ und dass viel zu viele Zuschauer den Film aufgrund seiner vermeintlichen Coolness und seiner Schauwerte als gelungen erachteten. Dabei war der Film neben seiner bescheuerten politischen Positionierung auch nicht einmal in irgendeiner Hinsicht beeindruckend. Wir reden hier nicht von „Der Soldat James Ryan“, der handwerklich eindrucksvolle Momente innehat, wir reden hier von einem rundum schlechten Film.
Seltsamerweise war der zweitgefährlichste Film, nach „Fifty Shades Of Grey“, keine teure Mainstream-Produktion nach dem Konzept „giftiges Zuckerbrot und faule Spiele“ fürs Volk. Dieser Film kam mehr oder weniger selbst aus dem Volk und hieß „Der 8. Kontinent“. Ein Crowdfunding-Projekt, das zum Glück niemand gesehen hat. Auf seine technischen Schwächen will ich nicht weiter einprügeln, die kann der Film gerne haben, da ist nichts schlimm dran. Aber wie kann man ernsthaft einen Film über eine Studentin machen, die die Studiumskasse ihrer Fakultät bestiehlt, um dann einen völlig egoistisch-hedonistischen Welttrip zu machen, um „sich selbst zu verstehen“? Und am Ende finden das im Film auch noch alle supertoll und verzeihen ihr diesen selbstsüchtigen Bitchmove! Girl, wenn du dich selbst kennenlernen willst, lies ein Buch oder mehrere, aber bereis doch nicht acht blöde Urlaubsländer um den Globus (na gut, sieben, die Antarktis war auch dabei. Das kann man echt nicht als Urlaubsland deklarieren), um dich selbst und dem Zuschauer gleich mit etwas vorzumachen. Ein Film, der den Lebensstil abfeiert, der sich so als weltgewandt und als spirituelle Erfahrung versteht, aber eigentlich pures Genussleben und einen schönen Eintrag auf dem Lebenslauf darstellt. Furchtbar, ich könnte mich stundenlang über diesen naiven und dummen Film aufregen. Der Film wurde von mir so böse verrissen, dass das auftraggebende Online-Portal die Kritik, obwohl man mir das Salär zahlte, nicht veröffentlichen wollte.
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