Zeitlose Authentizität: Zwischen Großstadtballade und Globalisierung.
Originaltitel: The French Connection
Alternativtitel: French Connection — Brennpunkt Brooklyn, Brennpunkt Brooklyn
Produktionsland: USA
Veröffentlichungsjahr: 1971
Regie: William Friedkin
Drehbuch: Ernest Tidyman
Kamera: Owen Roizman
Montage: Gerald B. Greenberg
Produktion: Philip D’Antoni
Musik: Don Ellis, Jimmy Webb
Darsteller: Gene Hackman, Roy Scheider, Fernando Rey, Tony Lo Bianco, Marcel Bozzuffi, Frédéric de Pasquale
Laufzeit: 104 Minuten
Der New Yorker Drogenfahnder Jimmy Doyle, genannt Popeye (Gene Hackman), ist kein strahlender Held, sondern ein desillusionierter Unsympath, dem schon mal die Hand ausrutscht. Auf einer nächtlichen Zechtour durch abgeranzte Spelunken beginnt er mit seinem Partner Russo (Roy Scheider) aus einer Laune heraus, einen Kneipengast zu observieren. Die beiden Ermittler landen einen Volltreffer. Bei dem Mann handelt es sich um den Drogenhändler Salvatore Boca (Tony Lo Bianco), der einen Deal mit dem französischen Drogenboss Alain Charnier (Fernando Rey) aus Marseille einfedeln möchte. Es geht um Heroin im Wert von 32 Millionen US-Dollar.
Quelle: Moviepilot.de
Replik:
(ursprünglich erschienen als Post
im mittlerweile inaktiven Filmtiefen.de-Forum, 12.10.2012)
Allzu oft wird „French Connection“ als eine Art Mutter der Crime-Thriller verkauft. Aber das stimmt nicht wirklich. Mag sein, dass Friedkin einige handwerkliche Meilensteine setzen konnte, die in der Thriller-Talentschule rauf und runter gebetet werden, aber das ist eigentlich nicht die entscheidende Qualität, die der Film hat und die ihn heute noch äußerst sehenswert macht. „The French Connection“ gewinnt durch seine Dreckigkeit und moralische Uneindeutigkeit, durch Authentizität und die Courage, das zu zeigen, was man heutzutage nicht mehr allzu häufig sieht, aber auch schon (oder gerade?) 1971 ein Wagnis war. Hier gibt es keine Sunnyboy-Cops und keine Urlaubsorte als Einsatzgebiet. Da sieht man ganz gut wo die cineastischen 70er und 80er ihre Schwerpunkte setzten, „The French Connection“ ist der Anti-Miami-Vice ohne je von Miami Vice gewusst zu haben.
Workaholic und Arschloch
Die Seherfahrung kommt dem hypothetischen Praktikum bei der New Yorker Polizei der 70er sehr nahe und das im Negativen wie Positiven, wobei man das für sich selbst entscheiden muss, wie man Pro und Contra gewichtet. Erwartet man, an einer spannenden Geschichte teilhaben zu dürfen? Oder bei einem netten, moralisch aufrichtigem Cop im Auto sitzen zu dürfen? Na dann doch vielleicht lieber „Starsky & Hutch“ oder heutige Serien-Formate von der Stange, die sich außer der viel zitierten Verfolgungsjagd wenig von „French Connection“ abgeschaut haben. „French Connection“ ist genau wie sein Protagonist Popeye, ein rauhbeiniges Arschloch, durchaus auf eine schwer einzustehende Weise charismatisch, aber ein Zyniker mit rassistischer Ader, ein Mensch, der erkennbar einsam ist und den nur sein Job antreibt. Ein Workaholic. Passend, dass die einzige Frau, die im Film mit ihm schläft, eine kurze Bettgeschichte ist, die wieder per Handschellenspiel auf seinen Job Bezug nimmt.
Spannung durch hochrealistiches Medium
Aber da wo es hätte schwer werden können, dieser Figur zu folgen, weicht der Film auf halbdokumentarische Inszenierungs-Griffe aus. Das wahrt Distanz zu Popeye und macht den Film beißend realistisch. Warum etwa die Verfolgungsjagd noch heute Wirkung hat, definiert sich nicht durch die Anzahl der im letzten Moment ausgewichenen Autos oder die mi/h-Anzeige auf dem Tacho, sondern dass sie in ein hochrealistisches Medium eingebettet ist. Das machen die meisten Action-Film-Nachahmer natürlich falsch, weswegen das Original immer noch spannender ist. Auch gerne zitiert werden die Beschattungsszenen, die effektvoll mit Zooms, Schärfeverlagerungen und Kameraschwenks handwerken und Geduld bei dem Zuschauer erfordern, interessanterweise aber eher die Polizei und ihre Mentalität beleuchten als die Vorhaben der Verbrecher aufzudecken.
Schattenseite der Globalisierung
Das Motiv eines besessenen Cops, der auf eigene Faust an einem Fall arbeitet ist ein ziemlich ziemlich alter Hut. Aber will Friedkin da überhaupt hin? Dazu ist sein dunkelmoralischer Held wohl zu unsympathisch und sein Antagonist zu charismatisch. Das Fangspiel erzählt Entwicklungen auf Cop- wie auf Kriminellenseite parallel, was dem Film der Spannung seines Kriminalfalles beraubt und dokumentarischer macht. Spannend sind dafür die menschlichen Zweikämpfe und die Rolle die New York darin spielt. Überhaupt einer der New-York-Filme. Wie hier verlassene Hafengebäude, schmutzige Hinterstraßen, Metro-Schienen und Straßenkreuzungen sowohl als stilgebendes als auch als erzählerisches Mittel angewandt werden, gibt „The French Connection“ etwas einer tragischen Großstadtballade. Aber dahinter verbindet sich ein Kommentar über die Schattenseite von Globalisierung und dem freien Markt. Statt der Freiheitsstatue liefern die Froschfresser, pardon Franzosen, dieses Mal feinstes Heroin unter dem Deckmantel überseeischer Zusammenarbeit in der Filmindustrie. Das hat zuletzt Ridley Scott in seinem Epos „American Gangster“ ähnlich aufbereitet und damit auch sogleich einen seiner besten Filme abgeliefert. Dass Scott sich davor den Friedkin-Klassiker angesehen hat, dürfte so sicher wie das kleingeschriebene Amen in der französischen Kirche sein.
„French Connection“ ist bis zum letzten Schuss auf seine eigene Weise spannend, die die Genres, die der Film einst höchstselbst entscheidend prägte, mal wieder für sich entdecken könnten. Seine unfreundliche Authentizität macht ihn zeitlos, auch wenn andere Filme schon mit höherer Geschwindigkeit zur Verfolgungsjad antraten.
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