Film ohne Negativität.
Originaltitel: Paterson
Produktionsland: USA
Veröffentlichungsjahr: 2016
Regie: Jim Jarmusch
Drehbuch: Jim Jarmusch
Produktion: Joshua Astrachan, Carter Logan
Kamera: Frederick Elmes
Montage: Affonso Gonçalves
Darsteller: Adam Driver, Golshifteh Farahani, Barry Shabaka Henley, Rizwan Manji, Masatoshi Nagase
Laufzeit: 123 Minuten
Paterson (Adam Driver) lebt in der Kleinstadt Paterson im Bundesstaat New Jersey. Hier folgt er jeden Tag einer einfachen Routine, von der er so gut wie nie abweicht. Er ist Busfahrer und nimmt die Welt durch die Windschutzscheibe seines Fahrzeugs wahr, während er immer wieder Gesprächsfetzen der zusteigenden Fahrgäste auffängt. Zwischendurch schreibt er Gedichte in sein Notizbuch. Wenn er nicht seinen Bus fährt, geht Paterson mit seinem Hund spazieren, trinkt in einer Bar exakt ein Bier und kehrt schließlich nach Hause zu seiner Frau Laura (Golshifteh Farahani) zurück. Laura ist im Gegensatz zu dem in seinem unaufgeregten Alltag zufriedenen Paterson eine Träumerin, die ihre Welt am liebsten jeden Tag aufs Neue auf den Kopf stellen würde. Trotz ihrer Unterschiedlichkeit liebt das Paar einander jedoch innig, und Laura unterstützt Patersons neu entdecktes geheimes poetische Talent voller Elan.
Quelle: imdb.com
Replik:
Hass auf etwas verbindet mehr als Liebe zu etwas, sagt man. Als ich „Paterson“ mit einem Mädchen im Kino sehe — es ist für uns beide der erste Jim-Jarmusch-Film — entdecken wir, dass sowohl sie als auch ich dem Film kritisch gegenüber stehen. Und das vielleicht, weil „Paterson“ Figuren zeigt, mit denen wir uns nicht identifizieren können, eine Weltsicht, die uns beiden zu schrill und wenig grautönig erscheint. Das ist keine Realität für uns, und nein, es ist auch keine in irgendeiner Weise begehrenswerte Utopie. „Paterson“ zeigt eine Welt ohne jegliche Negativität.
Zwang zur Poesie
Jim Jarmusch betont in „Paterson“ das Alltägliche. Der Busfahrer Paterson lebt in der gleichnamigen Stadt mit seiner Frau zusammen, die freischaffende Künstlerin ist. Beide gehen jeden Tag ihrer Arbeit nach und werden sich der Routine und Monotonie niemals müde. Jim Jarmusch überhöht das Alltägliche auf eine gar nicht so sehr dezent poetische Art und Weise. Das fängt damit an, dass der Busfahrer Paterson ein Hobby-Poet ist und in regelmäßigen Abständen seine Gedichte vorliest (die in Wahrheit weder vom Schauspieler Adam Driver noch von Jim Jarmusch sind). Die Wahl, ob man das Gezeigte vielleicht auch einfach in seiner schnöden Banalität beobachten möchte, hat man aber nicht, weil Jarmusch immer wieder das Gezeigte mit pittoresken Wasserfallbildern überblendet und den Protagonisten seine Gedichte im Off einsprechen lässt oder sogar in Schönschrift über die Bilder schreibt.
Banale Alltäglichkeit
Das größte Problem an „Paterson“ ist sein Hang zur enervierenden Positivität. Niemand, aber auch wirklich niemand in diesem Film ist eine Figur mit Schattenseiten. In Paterson scheinen nur perfekte Bürger zu leben. Und auch die wenigen Probleme, die in diesem Film auftauchen, werden von Jarmusch nicht ernstgenommen. Patersons indisch-stämmiger Busfahrkollege erzählt jeden Morgen wie schlecht es ihm geht, aber vermitteln tut sich das nicht, da dies (wie so vieles) für einen Running-Gag missbraucht wird. Es ist eine Welt, die sich als realistisch, weil alltäglich ausgibt, aber eigentlich völlig unglaubwürdig und leer ist. Niemand zwingt Jarmusch dazu einen Film mit Schicksalsschlägen zu machen, geschweige sie als klassische Fünf-Akt-Dramaturgie aufzubauen. Aber das, was er in diesem Film veranstaltet, ist Alltägliches auf so schnöde-grundoptimistische Weise zu poetisieren, dass daraus nichts anderes als pure Banalität gerinnt.
Laura, der Hausroboter
Die beiden Hauptfiguren Paterson und seine persisch-stämmige Frau Laura waren in ihrer Einfachheit vielleicht als Projektionsflächen konzipiert. Aber Projektion geht nie ganz ohne Identifikation. Und hier geht „Paterson“ einfach nicht auf. Vor allem die von der bildschönen Golshifteh Farahani gespielte Laura ist ein einziges Rätsel, weil ihre Naivität und ihre ungebremste Endorphinbetriebenheit einfach keine Sympathie auslösen können. Diese Frau verhält sich im Grunde genommen wie ein Hausroboter. Sie wartet bis Paterson von der Arbeit kommt, hat ihm dann schöne neue (und irgendwie immer gleiche) Dinge gebastelt, ist gut gelaunt, fragt ihn wie es ihm geht und schläft dann mit ihm. Das Glückempfinden des Protagonisten Paterson, mit dieser Frau zusammen zu sein und an ihrer Seite jeden Tag fast dasselbe zu erleben, kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen. Und das obwohl ich Golshifteh Farahani sowohl erotisch als auch sympathisch finde und sie eigentlich einer der Hauptgründe war, dass ich mir diesen Film überhaupt angesehen habe. Diese Figur, ironischerweise obwohl sie ein Faible für Schwarz-Weiß-Muster hat, ist einzig in grellem Weiß gezeichnet. Und dass sich in einer Person, die so neurotisch in dem Bemalen von Oberflächen nach einem immer wiederkehrenden Muster ist, nicht der Hauch einer Unglücklichkeit erkennbar ist, empfinde ich als weltfremde Figurenkomposition.
Seichter Humor
Neben uns im Kino saßen zwei Frauen, die sich wohl selbst ein wenig dazu zwingen wollten, diesen Film witzig zu finden und sich bei jedem Aufkeimen einer Pointe schon vorbereiteten, gleich loslachen zu können. Diese beobachtete Zuschauerhaltung spiegelt tatsächlich ganz gut wieder, wie „Paterson“ als Komödie funktioniert. Er ist tatsächlich ein Film geworden, der für eine Independent-Arthouse-Komödie erschreckend pointengeil ist, nur dass diese Pointen betont leise und unaufgeregt sind. Das Lakonische verkommt hier zum Selbstzweck. Jim Jarmusch ist in „Paterson“ in seine eigene Unspektakularität verliebt. Aber nicht zuletzt die brav-getimte Montage entlarvt den Film als eine Komödie, die genauso sehr nach dem Lachen des einfachen Publikums fischt wie jede krachlederne Mainstream-Komödie auch. Wenn man von dem Film nicht gepackt wird und zwangsweise auf das Erkennen seiner Bauweise zurückgeworfen wird, dann merkt man allein schon wie unendlich oft der Film für eine halbe Sekunde auf den Hund Marvin schneiden muss, um sich seiner lustigen Momente zu vergewissern.
Generationsnostalgie
Jarmusch hat hier einen Film gedreht, der ein Pseudo-Kunstfilm ist. Das ist das eigentlich Ärgerliche an diesem Werk. Sein Tempo, seine Wiederholungen, seine poetischen Bilder. Das hat alles etwas extrem Gewolltes. Ebenso wie diese Vintage-Staffierung, die sich durch den ganzen Film zieht. Paterson hat natürlich kein Smartphone, dafür aber eine schöne Lederarmbanduhr. In einer Jazz-Bar werden Schachturniere gespielt, mit einer analogen Stoppuhr, versteht sich. Hier und da wird über alte Dichter und Größen der Rockmusik gesprochen, ohne hier wirklich in die Tiefe zu gehen usw. „Paterson“ ist permanent einem nostalgischen Blick zurück verhaftet, der in Wahrheit ein Blick auf eine gegenwärtige Generation ist, die nicht zufällig die Zielgruppe von „Paterson“ darstellt. Der in Wahrheit ein Blick ist, der an der Oberfläche haften bleibt. Und damit nur die Schablone eines filmischen Gedichts bleibt.
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Ich kann deine Meinung zu PATERSON ganz und gar nicht teilen. Ich mochte den Film und ich finde es auch überhaupt nicht schlimm, einen Film zu sehen, der ein bißchen zu utopisch und positiv rüberkommt. Die Welt da draußen ist schlimm genug und das Kino bietet einen guten Rahmen das mal für zwei Stunden zu vergessen.