Ein Berlinale-Resüme in Sprachbrocken.
Zwischen Berlinale und jetzt liegen ein Monat des Rumreisens und Drehbuchschreibens. Was ist von den Eindrücken des Festivals geblieben? Ein Rückblick in Sentenzen.
„Grass“ (Hong Sang-Soo)
Imer blöd, die Frage, nach der Meinung über Hong, den neuesten.
„Ja, ganz reizend wie immer.“
Vermessen, die Behauptung, das betont Kleine sei notwendig große Kinogeste.
Wird Hong nicht gerecht, weil er manchmal herausragend ist.
Wird dem Kino nicht gerecht, weil er das oft auch nicht ist.
„Jamila“ (Aminatou Echard)
Vor Erschöpfung, neben mir ein leerer Sitz, schlafe ich über diesen Film.
Nicht ganz fair.
Aber eine recht gewöhnliche Dokumentation, basierend auf Interviews mit Zwangsverheirateten,
Mit einer prätentiösen Optik opaker Bilder zu belasten, hingegen,
— Auch nicht ganz fair.
Was bringt dem Film diese Form?
„Classical Period“ (Ted Fendt)
Und gleich der nächste Film, mit kleinem Hype unter Hardcore-Cinephilen.
Hier aber: zu Recht.
Die Intellektualität der Figuren ist nicht arrogante Ausstellung, sondern Schwäche.
Unzugehörigkeit zur Welt, Behinderung. Aber eine gemeinsame und damit romantische, intime.
Und diese Welt ist durchaus spürbar. Von Außen. Wo man wenig bis nichts weiß, über Architektur und Literatentum.
„Horizon“ (Tinatin Kajrishvili)
Es gibt Filme, die festgefahrene Struktur zu einer neuen Struktur dekonstruieren.
Und es gibt Filme, die nicht bemerken, dass sie schlichtweg strukturlos sind.
Sich ärgerlich anfühlen, zerfahren. Und auch in seinen Einzelteilen unfertig und behaupterisch.
Dieses jene Schicksal hat „Horizon“.
Mir macht er Angst, als Filmemacher, der nicht selten im Spiel mit Struktur ein sicheres Heil wähnt.
Wie viel vom trügerischen Horizont steckt in meinem eigenen Schaffen?
„An Elephant Sitting Still“ (Hu Bo)
High Hopes.
Aber vier Stunden ein einziger Tag in Echtzeit.
Fühlt sich schlichtweg nicht an wie ein einziger Tag.
Schwelgerische Stille als Kontrapol fehlt dem Elefanten.
Um echt zu sein.
„Human, Space, Time and Human“ (Kim Ki-Duk)
Ein Aufreger.
Aber mir scheint, man spricht zu sehr über das Arschloch Kim.
Als über die Schlechtheit des Films selbst.
„Daughter Of Mine“ (Laura Bispuri)
Die coole Abgefucktheit der Mutter,
Bispuri lechzt hier hinterher, findet sich selbst cool darin.
Und schreit: Auch nur ein Mensch! Seht her!
Und ich denke: Eh. Ich kenne viel abgefucktere Menschen.
Italienisches Kino hat ein Bourgeoisie-Problem.
„Dovlatov“ (Alexei German Jr.)
Ein Berlinale-Film.
Will wie große Kunst aussehen.
Aber aus Venedig und Cannes aus gesehen, erscheint sie klein.
„U — July 22“ (Erik Poppe)
Ein Film über Breivik,
Aus der Sicht der Opfer,
Ohne Schnitt.
Aber mit Love-Interest-Subplot.
… Ohne mich.
„Theatre Of War“ (Lola Arias)
Der Krieg, endlich mal als das, was er ja auch ist.
Beruf, Hobby und nostalgisches Gruppenerlebnis.
Unbeschönigend, ehrlich, provokativ.
Und auf die beste Weise albern.
„Season Of The Devil“ (Lav Diaz)
Diaz, ungewohnt parteiisch.
Diesmal voller Inbrunst für seine Helden.
Einzig der Gesang, den singen die einen und die anderen.
In derselben Melodie.
Lalalalala.
„L’animale“ (Katharina Mückstein)
Ein Film, der Klischees nicht begegnet,
Durch den Mut zum Detail des Klischees,
Und damit dem Nicht-Klische.
Sondern mit dem Anti-Klischee.
Welches ein Klischee ist, im eitlen Gewand.
„That Summer“ (Göran Olsson)
Man kann wenig dagegen sagen.
Aber auch wenig dafür.
Wenn einem die Personen im Film Fremde sind,
Dann bleiben sie es einem auch.
„Last Child“ (Shin Dong-Seok)
Dardennes „Sohn“ auf Koreanisch!
Mit großkelliger Mut zur Emotion!
Warum eigentlich nicht.
„When The Trees Fall“ (Marysia Nikitiuk)
Jedes Bild vom Bild her gedacht.
Alles steht für sich selbst, und wenn nicht dann für kindische Metaphern.
Ein weißes Pferd als Retter aus dem Patriarchat.
Dessen Logik man eigentlich weiterführt, wenn man von Gangsterbanden träumt.
„Old Love“ (Park Ki-yong)
Ein bisschen Gegenstück zum letzten Kind.
Die alte Liebe.
Dem Zusehen beim Wiedersehen.
Eine kurze schöne Kinofreude, betont intensitätslos.
„Shock Waves — Diary of My Mind“ (Ursula Meier)
Siebzig Minuten nur, gedreht für das Schweizer Fernsehen.
Eine Verschwendung!
Spürbar ist die profunde Kenntnis über Geschildertes.
Und Unkenntnis nur dort, wo es keine Kenntnis geben kann.
Ein weiser Film.
„The Pillar of Salt“ (Burak Cevik)
Not my cup of chai.
Zu sehr Lucile Hadzihalilovic und andre.
Da passt es, dass der größte Moment Wirklichkeit.
Der Verkauf von Vögeln durch Elit Iscan.
Für mich auch der beste war.
„A Paris Education“ (Jean-Paul Civeyrac)
Cinephile Filmemacher und die Jugend. 137 Minuten Liebe?
Ein ganzes und gares Nein.
Im schlechtesten Sinne Französisch.
Niemand in diesem Alter, kann so denken, reden, fühlen.
Und wer denkt, das so gedacht werden kann (ein alter Filmprofessor der Femis)
Vor dem habe ich Angst, was er über die soziale Wirklichkeit denkt.
137 Minuten Qual.
„Boys Cry“ (Damiano D’Innocenzo & Fabio D’Innocenzo)
„Wir wollen Gewalt nicht als genießbar zeigen, nicht die Fehler anderer machen, die die Gewalt nicht kennen.“
Die Innocenzo-Fratelli kennen ihr Milieu. Man spürt es.
Aber unter all der Haptik fühlt sich die gekürzte, überhastete Gewaltinszenierung doch an,
Wie ein kleiner Schönheitsfehler.
„Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot“ (Philip Gröning)
Stopp.
Bitte nicht darüber reden, wie oarg das Finale, wie körperlich die Erfahrung,
Zwei Stunden psychologieloses Einleitgequassel.
Sind genauso Teil dieser Form.
Die missraten und unphilosophisch ist.
„In den Gängen“ (Thomas Stuber)
Stuber könnte laufen, im Fernsehen zur Primetime,
Doch, seht! Es kann so leicht sein.
Philosophischer als der Bruder Robert, ist Stubers Supermarkt.
Denn es gibt doch Richtiges im Falschen.
„Lemonade“ (Ioana Uricaru)
Kommt eine Rumänin in die USA.
Und braucht eine Greencard / dreht einen Film.
Es gelingt. Ohne falsche Hascherei.
Einfach durch gute, harte Arbeit.
„The Bed“ (Mónica Lairana)
Ein Kammerspiel, dessen Sperrigkeit rein ist.
Nur im entscheidenden Moment, dem Sex.
Ist La Cama nur ein Fake.
„Familienleben“ (Rosa Hannah Ziegler)
Das erste Meisterwerk.
Die Regisseurin spricht schlechtes Englisch.
Aber die Sprache, die all ihren porträtierten Menschen,
Den Schlüssel zu ihrem Innersten gibt.
Es ist White Trash auf einer Farm.
Man kennt alles und man kennt nichts.
Und schaut zwei Stunden gebannt, und voller Zuneigung,
Für das Bekannte und gleichzeitig Unbekannte.
„Genesis“ (Árpád Bogdán)
Das ist alles zu viel, zu emotional,
Zu sehr alles.
Und am Ende dann eben nichts.
Just The Wind in schlecht.
„Xiao Mei“ (Maren Hwang)
Ein Film, den ich auch machen werde.
Anders.
Trotzdem: Das zweite Meisterwerk.
Und nur Chinesen (und Russen) können Romantik.