Ex-Ehemann und Vater: Eine Selbstreflexion geht weiter — und stolpert.
Originaltitel: Casse-tête chinois
Alternativtitel: L’auberge Espagnole 3, Beziehungsweise New York
Produktionsland: Frankreich
Veröffentlichungsjahr: 2013
Regie: Cédric Klapisch
Drehbuch: Cédric Klapisch
Produktion: Cédric Klapisch, Bruno Levy
Kamera: Natasha Braier
Montage: Anne-Sophie Bion
Musik: Christophe Minck
Darsteller: Romain Duris, Cécile De France, Audrey Tautou, Kelly Reilly, Sandrine Holt, Flore Bonaventura, Jochen Hägele, Benoit Jacquot, Martine Demaret, Dominique Besnehard, Zinedine Soualem, Peter Hermann, Jason Kravits, Vanessa Guide, Kyan Khojandi, Li Jun Li, Cédric Klapisch
Laufzeit: 117 Minuten
Nach seinem Erasmus-Jahr in Barcelona in L’Auberge espagnole – Barcelona für ein Jahr und der Hochzeit seines Kumpels William in L’Auberge Espagnole 2 – Wiedersehen in St. Petersburg sind bereits einige Jahre vergangen. Xavier (Romain Duris) ist mittlerweile Vater zweier Kinder, doch nach zehn Jahren Beziehung mit Wendy (Kelly Reilly) trennt sich das Paar, da Wendy sich während einer Dienstreise in New York in einen anderen Mann verliebt. Dies stürzt den mittlerweile 40-Jährigen in eine erneute Lebenskrise. Nicht nur als Mann, sondern auch als Vater ist er es sich schuldig, sein chaotisches Leben endlich auf die Reihe zu bekommen. Er beschließt, Wendy nach New York zu folgen, um zumindest Zeit mit seinen Kindern verbringen zu können. Vor Ort landet er jedoch sofort im nächsten Chaos, denn für seine Aufenthaltserlaubnis in den USA heiratet er die Chinesin Ju (Sandrine Holt). Doch wie soll er der Einwanderungsbehörde erklären, dass Isabelle (Cécile De France) und ihre Freundin ein weiteres leibliches Kind Xaviers groß gezogen haben.
Quelle: Moviepilot.de
Replik:
Cédric Klapischs Kultkomödienreihe „L’auberge Espagnole“ hat sich von einer Studentenleben-Meditation, die sie ja eigentlich nur im ersten Teil war, schon längst zu einer umfangreichen seriellen Lebensreflexion des Regisseurs selbst entwickelt, die über Berufsleben bis Familie alles abdeckt und langsam zur französischen Antwort auf Richard Linklaters „Before“-Reihe avanciert. Da passt es, dass „Beziehungsweise New York“ dieses Mal zum Thema macht, ein Film über „das Leben selbst zu sein“, auch wenn Klapisch hier weiterhin sein Leitmotiv internationaler Irrungen und Wirrungen, sprachlicher wie kultureller Natur, beibehält. Leider fällt der dritte Teil der RomCom-Reihe deutlich von der Qualität seiner Vorgänger ab. Sein Drehbuch erreicht nicht den roten Faden des ersten Teils oder die genialen Einzelmomente des zweiten Teils und wirkt uninspiriert, seltsam behäbig und mit weniger Liebe für seine Figuren ausgestattet als früher. Dass „Beziehungsweise New York“ zumindest kein schlechter Film ist, wird durch Klapischs Handschrift und dem Charme seines Cine-Kosmopolitismus über Wasser gehalten.
Neues Terrain, neues Glück
„Beziehungsweise New York“ fängt schon enttäuschend uninspiriert an. Während der erste Teil noch ein alle Facetten umfassendes Erfahrungswerk zum Thema Erasmus-Studium und der zweite Teil zwar auch etwas forciert-fortgesetzt, aber eine durchaus bereichernde Betrachtung des Drehbuchautor-Berufes war, versetzt uns Teil 3 in eine Story-Ausgangslage von der Stange: Xavier ist jetzt Romanautor und will ein Buch über das Leben selbst schreiben — Naja. Er ist jetzt Vater von zwei Kindern, aber trennt sich von seiner Frau — der logische nächste Schritt im Fortschreiben der Figur Xaviers, dem Alter Ego von Regisseur und Drehbuchautor Cédric Klapisch. Achso, und der Film spielt natürlich in New York. Neues Terrain, neues Glück. Und die USA haben natürlich irgendwie noch gefehlt. Klapisch kommt um den Rückgriff auf das selbsternannt aufregendeste und hipste Land der Welt nicht herum, schade eigentlich, waren seine Filme bisher doch ein so frisches Bildnis europäischer Zusammengehörigkeit.
Überall Chinesen
Im Big Apple prasseln auf Xavier haufenweise Schwierigkeiten und interkulturelle Differenzen ein, die der Film kreuz- und quer und mit hübschen graphischen Spielereien abarbeitet. Leitmotiv bzw. -kultur ist im Film China, weswegen sich der Originaltitel auch auf China und nicht New York bezieht. Xavier lebt in China Town, muss eine Chinesin scheinheiraten, um die Green Card zu bekommen, seine lesbische Kumpelfreundin Isabelle ist ebenfalls mit einer Chinesin zusammen, seine Ex-Freundin Martine arbeitet mit Chinesen zusammen usw. Das wirkt alles ein bisschen auf das Leitmotiv China akkumuliert und planlos konzipiert, denn wirklich großartige Gag-Einfälle oder eine politische Kommentierung gegenüber China bleiben im Grunde aus. Und so schummelt sich der Film durch seine Storywendungen und Witze hindurch, ohne das Timing seiner Vorgängerfilme zu erreichen.
Auf der Suche nach der letzten großen Beziehung
Was ist aus den Figuren geworden? Xaviers Figur ist im Grunde konsequent weiter entwickelt. Auch als Vater und geschiedener Ehemann ist er ein Chaot und mit seinen kleinen Selbstinterpretationsproblemen nichtmal die sympathischste Figur des Films. Das war Xavier aber auch in Barcelona und St. Petersburg nicht. Xaviers erst Ehefrau dann Ex-Frau Wendy auch nicht. Zumindest im New Yorker Film nicht. Denn sie ist wirklich eine ziemlich schreckliche, gefühlskalte Gattin geworden, die auch äußerst oberflächlich psychologisiert wird. Immerhin schenkt Klapisch ihr eine Szene in einem Aufzug, in der sie zeigen kann, dass in ihr immer noch Verständnis und Mitgefühl stecken, aber rein narrativ ist diese Figur als Standard-Exfrau deutlich verschenkt. Ihr sympathischer Bruder William kommt im Film übrigens gar nicht vor. Aber der ist ja, wie wir wissen, glücklich mit einer Russin verheiratet. Dann gibt es noch Martine, die mit Audrey Tautou vom größten Star des Casts gespielt wird und vielleicht ihre prägendste Rolle der L’auberge-Espagnole-Reihe einnimmt. Auch wenn ihr Job nur unbefriedigend angeschnitten wird und erzählerisch unnötig ist, hat sie immerhin eine interessante charakterliche Entwicklung durchgemacht. Ganz unaufdringlich zeigt Klapisch in ihr eine Torschlusspanik der Fast-Vierziger, die eigentlich nur noch nach der letzten großen Beziehung suchen. Die interessanteste und symapthischste Figur bleibt aber nach wie vor die lesbische Isabelle, die zwischen fester Beziehung und dem Anspruch auf Promiskuität die Lacher auf ihrer Seite hat. Auf den Deutschen Tobias (Barnaby Metschurat) verzichtet der Film ebenfalls völlig. Ein großes Problem sind auch die neuen Figuren: Isabelles chinesische Freundin? Eher farblos. Wendys Ehemann? Immerhin nicht als Arschloch und einfallsloser Antagonist gezeichnet, aber auch nicht besonders tiefgehend. Aber am schlimmsten ist Xaviers Schein-Ehefrau Nancy, die vollkommen sympathisch rüberkommt, aber einfach nie zum Einsatz kommt, weil sie von Klapisch lediglich als Green-Card-Beschaffungsobjekt eingeplant ist.
Wir wollen eine spießige Liebe
Die Liste an Mängeln ist lang, so richtig aufregen wird sie aber höchstens Hardcore-Fans der Filmreihe, denn der kosmopolitische Experimentalkäfig, denn Klapisch hier reaktiviert um neue Ergebnisse zu Tage zu fördern, erfüllt zwar keine höchsten Komödienansprüche, aber bietet alles in allem anständige Unterhaltung mit multilingualen Situationswitzen und effektspielerischen Einfällen. Zudem wirft Klapisch eine niedliche Prognose auf, wie denn die Generation der 2000er-Erasmus-Studenten altert und eine neue Generation einleitet. Nicht nur transnational und -ethnisch vernetzt werden wir Austauschstudenten mal alt, nein, wir haben auch Kinder mit mehreren Partnern, streben aber eigentlich nur nach einer spießigen, konventionellen Liebe, die der Film am Ende auch selbstironisierend kommentiert. Na dann Prost. Oder cheers. Oder gānbēi. Und auf zum nächsten Kapitel, wenn Xavier fünfzig wird und eine interkulturelle Odyssee im Kampf gegen Haarausfall und rebellierende jugendliche Kinder durchleidet.
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