Eine überdimensionierte Katastrophe.
Originaltitel: Cloud Atlas
Produktionsland: Deutschland, USA, Hongkong, Singapur
Veröffentlichungsjahr: 2012
Regie: Tom Tykwer, Andrew Wachowski, Lana Wachowski
Drehbuch: Tom Tykwer, Andrew Wachowski, Lana Wachowski
Produktion: Grant Hill, Stefan Arndt, Tom Tykwer, Andrew Wachowski, Lana Wachowski
Kamera: Frank Griebe, John Toll
Montage: Alexander Berner
Musik: Tom Tykwer, Johnny Klimek, Reinhold Heil
Darsteller: Tom Hanks, Hugo Weaving, Halle Berry, Susan Sarandon, Jim Broadbent, Ben Whishaw
Laufzeit: 172 Minuten
Der Notar Adam Ewing (Jim Sturgess) lernt 1850 mit einem Schiff die Ureinwohner des Südpazifik und ihre Unterdrückung kennen. Der junge Musiker Robert Forbisher (Ben Whishaw) arbeitet 1931 an seinem Wolkenatlas-Sextett und wird dabei von Ewings Tagebuch inspiriert. Die Journalistin Luisa Rey (Halle Berry) ermittelt 1975 über eine vertuschte Fehlkonstruktion beim Bau eines Atomkraftwerks und erfährt dabei auch von Forbisher. Der Verleger Timothy Cavendish (Jim Broadbent), der Luisa Reys Geschichte veröffentlichen will, wird in der Gegenwart irrtümlich in ein Altenheim eingewiesen. In der nahen Zukunft kämpft die junge Replikantin Sonmi-451 (Doona Bae), deren Lieblingsfilm die Verfilmung von Cavendishs Lebensgeschichte ist, für die Anerkennung ihrer Menschlichkeit. Schließlich spielt eine Episode in ferner Zukunft, in der die menschliche Zivilisation weitgehend wieder auf den Stand der Steinzeit zurückgefallen ist. Nur ein Hologramm mit den Aufzeichnungen Sonmis kündet von der lange vergangenen Zeit.
Quelle: Moviepilot.de
Replik:
(ursprünglich erschienen als Post
im mittlerweile inaktiven Filmtiefen.de-Forum, 14.06.2013)
„Cloud Atlas“ ist für mich ein typisch deutscher Film des aktuellen Jahrzehnts. Typisch deutsch ist es nämlich mittlerweile Riesenbudgets in Filmgroßprojekte zu stecken, die kein kulturelles Entwicklungspotenzial, sondern lediglich Blockbusterqualitäten haben, um das Budget wieder reinzuholen (Meistens wird das im TV-Sektor gemacht). Die Filmhochschulen und Förderfonds werden mit Minibeiträgen abgefertigt, so dass ich mich schon ohne beide Filme gesehen zu haben ins Fäustchen lachte, als tatsächlich mal David mit dem Namen „Oh Boy“ gegen Goliath mit dem Namen „Cloud Atlas“ bei dem deutschen Filmpreis abräumte, obwohl Goliath 333 mal so viel gekostet hat. „Cloud Atlas“ ist auch typisch deutsch, weil hier nichtmal der Anspruch erhoben wurde einen deutschen Film zu drehen. Rechtlich mag der Film deutsch sein, das Kinokassengeld wird mehrheitlich in deutsche Taschen fließen, aber die finanzielle Perspektive war dann auch schon alles, was unsere Sprache spricht. Hier wird hollywoodstyle Kino gemacht, nur um das gepokerte Geld ja wieder reinzuholen. Couragierte und nachhaltige Filmkultur sieht also irgendwie anders aus.
Keine Kosten gescheut
„Cloud Atlas“ verfilmt also ein unverfilmbares Buch mit Tom Tykwer, den Matrix-Geschwistern und vielen bekannten Hollywoodgesichtern (wenn auch zugegeben: Nicht mehr den, die in Hollywood die ganz große Geige spielen). Dann wird noch bei den gefragtesten Special-Effect-Firmen angerufen, um möglichst bombastische Bilder auf den Screen zu zaubern. Und so sieht der Film am Ende des Tages tatsächlich wirklich großartig aus, vor allem der von der Brücke runterstürzende Käfer muss den Vergleich mit (voll)amerikanischen Produktionen nicht scheuen (Ich glaube auf diesen Satz waren die Filmproduzenten von Anfang an aus, jetzt habt ihr ihn). „Cloud Atlas“ ist aber leider ein inkonsistenter, aufs vermeintliche Intelligentsein hin geschnittener, zusammengeklauter (oder ist es die Romanvorlage?) und letztlich völlig misslungener Film.
Widerstand als zentrale Aussage
Fangen wir mal ganz analytisch mit der Grundaussage des Films an, von der man mir oft sagte, man könne gar nicht so recht sagen, wovon der Film handelt. Für mich ist das sehr deutlich: Es geht um Widerstand, um das Selbstverständnis für sein Recht und seine Freiheit zu kämpfen wie aussichtslos die Lage ist. Egal ob man Sklave in den Südstaaten, homosexueller Künstler in Großbritannien des eingehenden 20. Jahrhunders, toughes Girl, das eine Atomenergieverschwörung auf den Grund kommt, komischer Steinzeitmensch, der von einer anderen Steinzeitmenschethnie bedroht wird, Zukunftsmenschenklon, der vom System ausgebeutet wird oder einfach nur ein Rentner ist, der aus seinem Altersheim ausbrechen will. (Aussichtslos in diesem Sinne doppeldeutig: Einmal auf die einfache Aporie eines Sklaven in den Südstaaten etwa bezogen, andererseits auch auf die schwer zu erkennbaren Gegner der Atomkraftepisode). „Cloud Atlas“ erinnert uns an den Kampf und hat dafür auch das richtige Zitat parat, das immerzu repetiert wird:
„Ich werde mich diesem verbrecherischem Missbrauch nicht beugen.„
Liebe als Mittler
Garniert wird das Ganze mit der zwischenmenschlichen Liebe als Metapher für den Kampf gegen die Unterdrückung (Wow). Mensch und Alien (?) lieben sich, Weißer und Schwarzer lieben sich (platonisch), Klon und Nicht-Klon liebe sich, eine gruppe alter Menschen liebt sich, zwei homosexuelle Intellektuelle lieben sich und in der Atomenergieepisode geht Halle Berry mit gleich zwei Männern eine unsexuelle Seelenbeziehung ein. Außerdem ist der titelgebende Wolkenatlas, ein Meisterwerk klassischer Musik, Zeichen des Kampfes (Der Homosexuelle muss den Kampf gegen die Gesellschaft führen, dass seine Autorenschaft anerkannt wird) aber vor allem als metaphysisches Triebmittel, um die Episoden zusammen zu kleben („Das ist wirklich schön, aber irgendwo habe ich das schonmal gehört.“ — „Kann ich mir nicht vorstellen, ich denke es gibt nur eine Handvoll Exemplare in ganz Nordamerika.„).
„Ich verstehe jetzt, dass die Grenzen zwischen Krach und Klang reine Konventionen sind. Alle Grenzen sind Konventionen, die nur darauf warten, überwunden zu werden. Man kann jede Konvention überwinden, man muss diesen Schritt nur erst begreifen.„
Zwei Momente Nietzsche
Es werden zwei Lehren Friedrich Nietzsches, die die Romanvorlage aufgreift, mehr oder minder gut im Film umgesetzt: Zunächst der „Wille zur Macht“; der Mensch ist machtgierig und neigt zu einer Sklaven- und Herrengesellschaft, die der Film über 1000 Jahre spannende Geschichte immer wieder aufgreift. „Cloud Atlas“ erinnert uns also alles zu hinterfragen und nichts als Gott gegeben hinzunehmen. Löblich, aber nichts Neues. Des Weiteren wird auf die „Ewige Wiederkunft“ angespielt, was der Film dadurch löst, dass ständig dieselben Schauspieler in verschiedenen Rollen zu sehen sind. Darin schlägt man sich so gut wie es geht, kommt aber um etwas unfreiwillig komische Momente auch nicht herum.
Pessimistisches Menschenbild
Letztlich ist „Cloud Atlas“ ein äußerst pessimistischer Film. Er postuliert einen Kollektivglauben an eine bessere und gerechtere Zeit. Aber das Aufbegehren gegen die Sklaverei in Amerika, das Aufbegehren gegen das Altersheim, das Aufbegehren gegen die bösartigen Atomkraftvillains. Es hat alles nichts gebracht. Die menschliche Gesellschaft wird in der Zukunft eine Sklavengesellschaft sein, die menschliches Leben als Mittel zum Zweck begreift. Darüberhinaus wird die Menschheit gar auf den Stand der Steinzeit zurück geworfen. „Was brachte die Sklavenbefreiung, wenn der Mensch sowieso nichts draus lernt? Wieso dann noch überhaupt Widerstand leisten, wenn sich doch sowieso alles im Kreis zu drehen scheint?“, die Neu-Steinzeitmenschen nehmen mit dem Verlassen der Erde (was sie in der Buchvorlage eben nicht tun) sogar noch die letzte symbolische Hoffnung auf einen Neuanfang.
Mehr Lust auf einen weiteren Matrix-Teil
Und dann die Umsetzung: „Cloud Atlas“ ist ein absolut inkonsistenter, zusammengewürfelter Film geworden, der gut geschnitten sein mag, aber am Ende des Tages keinen kohärenten Film ergibt. Die historischen Episoden gehören da noch zu den besseren, bei der futuristischen 2144-Episode ist alles aus „Blade Runner“, „Matrix“ und „Die Insel“ so dreist zusammengekackt worden, dass man das Gefühl hat, dass die Wachowski-Brüder eigentlich eher Lust darauf hatten, einen weiteren Teil ihrer Kult-Filmreihe zu drehen, bis dann bundesdeutsche Investoren kamen und ihnen einen höher dotierten Vertrag auf den Tisch legten. Aber das ist natürlich ebenso dreiste Spekulation. In der Romanvorlage ist die Rebellenunion übrigens Erfindung der Sklavenhalter-Eintracht, es gab also von Vornherein keine Hoffnung, im Film wird die Union und damit auch die Hoffnung besiegt. Aber das ist nicht die einzige, verschlechternden Vereinfachung des Drehbuchs.
Besonders schlimm ist aber die Seniorenautor-Episode geworden. Diese versucht krampfhaft die fast 3 Stunden Spielzeit mit Lachern aufzulockern und kommt unfassbar unlustig daher. Schon fast von Bully-Herbig-bajuwarischer Missqualität. Leider allerdings auch nicht die einzige Episode, die in primitiven Pointen untergeht („Niemand nennt mich Sombrero-Schlampe„). Und zum krönenden Abschluss noch diese unsinnige Steinzeit-Episode mit minimal veränderter Sprechweise, die sich im Fremdscham-Barometer in Uwe-Boll-Gefilden wiederfindet.
Ein Trashfilm
Man kann dem Film eigentlich nur wünschen, dass er in zehn Jahren die Rezeption bekommt, die er verdient. Nämlich die, dass man ihn als besseren (bzw. im Trashfilmsinne schlechteren) Trashfilm abtut. Man kann darüber streiten, wie sehr dieser Film die Romanvorlage vergewaltigt oder wie sehr die Romanvorlage schon an sich eine Vergewaltigung darstellt, aber am Ende ist „Cloud Atlas“ eine überdimensional-gigantische Katastrophe. Da kann man fast froh sein, dass der Film immerhin gut ankam und er somit keine gänzliche Steuergelderverbrennungsmaschine ist, wie er von der Qualität eigentlich hätte sein müssen. Und ganz ehrlich: So weit entfernt von John Travoltas Aliendarstellung in „Battlefield Earth“, dem vielleicht schlechtesten Film aller Zeiten, ist Tom Hanks mit seiner Steinzeitmenschdarstellung auch nicht entfernt. In diesem Sinne …
34%
Bildrechte aller verlinkten Grafiken: © Cloud Atlas Productions / X-Filme Creative Pool / Anarchos Pictures
Hmmmm… Ich verstehe irgendwie nicht so recht, wieso der Film beim Publikum und manchen so schlecht weggekommen ist. Ich kann deine Kritikpunkte in gewisser weise nachvollziehen – doch bin ich die 3 Stunden sehr gut unterhalten worden.
Klar gibt es Episoden, die schwächer sind, aber alles in allem verknüpft Cloud Atlas die Episoden zu einer schönen Geschichte, die vielleicht kitschig anmutet und zu viel will, aber meines Erachtens trotzdem spannende Unterhaltung bietet.
„manchen *Kritikern* so schlecht weggekommen ist
Unterhaltend sind Filme immer. Bei „Cloud Atlas“ war es eher so eine an-den-Kopf-fassende Unterhaltung, die sich über die Fehltritte des Films fremdschamamüsiert. Oder so :)
Uhmmm, also in einigen Punkten kann ich die Kritiker gut nachvollziehen, zum Beispiel mit der Sache das man mit den Sprüngen klarkommen muss und war auch erst recht verdutzt als man erwähnte das es eigentlich ein deutscher Film im Hollywood-Style ist. Und ganz ehrlich, Online streaming und Netflix machen die Sache komplizierter: Man schläft quasi ein bei (eigentlich interessanten) deutschen Filmen, weil die Schnitte viel schneller sind bei Amerikanischen Filmen…. Naja cloud Atlas schafft es zu zeigen wie es zb früher zur Kolonie Zeit zugegangen war und auch wiederum das man wirklich nicht allen trauem kann- denn nicht alles ist wie es scheint. (Siehe der Arzt auf dem Schiff)
Und ich denke die mehrheit der Menschen wird sich wiedererkennen, in dem Punkt, dass wir das gefühl haben einen Teufel bei uns zu haben… Man zeigt halt auch das die Menschen nicht perfekt sind.
Luisa Rey hatte mit Sicherheit auch Schwierigkeiten beim Dreh mit dem Auto unter Wasser, oder?