Ein Vorbild für alle Reißbrettlovestorys.
Originaltitel: Crazy/Beautiful
Alternativtitel: Verrückt/Schön
Produktionsland: USA
Veröffentlichungsjahr: 2001
Regie: John Stockwell
Drehbuch: Phil Hay, Matt Manfredi
Produktion: Rachel Pfeffer, Harry J. Ufland, Mary Jane Ufland, Rick Dallago
Kamera: Shane Hurlbut
Montage: Melissa Kent
Musik: Paul Haslinger
Darsteller: Kirsten Dunst, Jay Hernandez, Bruce Davison, Taryn Manning, Lucinda Janney, Soledad St. Hilaire
Laufzeit: 95 Minuten
Zwei Teenager, zwei unterschiedliche Typen, zwei verschiedene Welten: Nicole Oakley (Kirsten Dunst), verwöhntes Mädchen aus reichem Haus, immer etwas neben der Spur, immer aufsässig, und Carlos Nunez (Jay Hernandez), zielstrebig, verantwortungsbewusst, aus armen Verhältnissen. Als die beiden sich begegnen, funkt es sofort zwischen den ungleichen Teens, doch Freunde, Familie und Lehrer legen der jungen Liebe Steine in den Weg. Ob ihre verrückt/schöne Liebe diese Hürden nehmen wird…?
Quelle: Moviepilot.de
Replik:
(ursprünglich erschienen als Post
im mittlerweile inaktiven Filmtiefen.de-Forum, 19.01.2013)
Vielleicht kennt man ja die Situation, dass man eine Teenieromanze mit einem Date oder der Freundin guckt oder gucken muss und im Nachhinein den Film etwas toleranter bewertet als sonst, weil die Angebetete so süß vom Film schwärmt. Man könnte natürlich auch einfach ein Mädchen daten, das einen besseren, weniger „rollentypischen“ Filmgeschmack hat oder aber man guckt „Verrückt/Schön“, ein eigentlich recht konventioneller Teenager-Liebesfilm und doch wieder nicht. Ich sah den Film jedenfalls unvoreingenommen, ohne zu wissen, was es für ein Film sein könnte und vor allem allein, ohne Date — einfach weil ich den Titel irgendwie schön fand. Kein Wortspiel jetzt, nicht verrückt-schön, einfach schön.
Ein liebender Antagonist
Die Geschichte handelt von Nicole (Kirsten Dunst) einem Mädchen aus wohlhabendem Hause, das chaotisch, spontan und psychisch zerstört, ja „verrückt“ ist. Sie verliebt sich in Carlos, einen strebsam-realistischen Jungen, mit mexikanischem Migrationshintergrund. Ein wahrlich ungleiches Paar. So weit, so gewöhnlich. Es folgt die obligatorische Lovestory mit Rise & Fall, Intrige, Eifersucht und allem drum und dran. Die Krux daran jedoch: Der Film tut einen bemerkenswerten Aufwand um die 08/15-Bravostoryversatzstücke mit kreativer Eigeninitiative und Drehbuchqualität auszutauschen. Man kann es sich z.B. nicht so einfach machen, dass das ungleiche Paar einfach ein umgedrehtes Standardpaar mit hartem Draufgängermädchen und schüchternem, gewissenhaften Kerl darstellt. Tatsächlich sind die Figuren deutlich klüger und tiefgehender aufgebaut. Nicoles Vater liebt Nicole, er hat auch nichts gegen Carlos, ganz im Gegenteil er leistet sogar Aufbauhilfe in Mexiko, scheinbar bekennender Kosmopolit. Dennoch ist er es, der den Figuren im Weg steht. Er denkt, die beiden unterschiedlichen jungen Menschen zerstören sich und ihre Zukunft selbst, aufgrund der destruktiven Art seiner Tochter. Er handelt aus Liebe und ist doch in gewissermaßen Antagonist, das ist sehr elegant gelöst, zumal „Verrückt/Schön“ dank überdurschnittlicher Wortwechsel seinen Figuren ungewohnt viel Profil verleiht.
No need for Standardfloskeln
Auf der anderen Seite haben wir die mexikanische Familie Carlos‘, die ebenfalls mit einer gewissen Missgunst das Techtelmechtel der beiden Protagonisten beäugt. Das löst der Film weniger verschachtelt, es ist einfach eine mütterliche Sorge um die Zukunft des Sohnes, gepaart mit aggressiver Angst der Brüder, er könne seine Wurzeln vergessen. Der Storyrahmen des Films ist zwar bis auf die kleinste Storywendung nichts Neues, es ist aber klischeelos und mit selten erlebter Eleganz aufgebaut. So kommt auch der Fall, in denen die Liebenden auseinander gehen müssen, von sich getrennt sind, die obligatorische „Kommen sie wieder zusammen?“-Situation. In dieser erwischt Carlos Nicole dabei, wie sie auf einer Party mit einem Freund von ihm rumknutscht. Was jetzt passiert, ist vorbildlich: Carlos fällt nicht aus seiner Rolle als nüchtern-überlegter Typ, er zieht seine Geliebte aus dem Pool, schubst seinen Freund recht sanft und fährt mit der betrunkenen Nicole zu ihr nach hause — nur ein Polizeiwagen stoppt sie. Keine eifersüchtige Schlägerei, kein „Es war nicht so wie du denkst.“, kein „Aber ich liebe doch nur dich!“, weil man das ungleiche, irgendwie kaputte Liebesgespann abkauft und man solche Floskeln nicht braucht und das schienen die Macher des Films verinnerlicht zu haben.
Technisch nichts Besonderes
Handwerklich ist „Verrückt/Schön“ nichts Besonderes, ein gewöhnlich inszenierter Film, der zumindest mit den Analogfotografien eine schöne, persönliche Note setzt. Auch versucht der Film nicht selten Empathie mit (großartigem) Soundtrack zu erzwingen. Das ist nicht perfekt und hat der Film nicht nötig, auch wenn es wirklich schwierig ist, sich der traurig-schönen Melancholie von The Dandy Warhols‘ großartigem „Sleep“ zu entziehen. Eine entfessel los-schreiende, endlich mal großartige Kirsten Dunst, in ihrer vielleicht besten Rolle hätte dennoch eigentlich gereicht.
Keine Plattitüden-Figuren
„Verrückt/Schön“ hat vor allem diese Kirsten Dunst, die wirklich zeigen kann, was in ihr steckt. Der Film lebt von ihrer kaputten Teenagerseele und ihrem fragilen Hamsterlächeln, das die Kaputtheit dieses Menschen zu purer Schönheit verkommen lässt. Der Film von Regisseur John Stockwell ist sicher kein aufwendiges Psychogramm und dennoch ist es die verrückte Zerstörtheit der Nicole, die als Dreh- und Angelpunkt fungiert. An dieser reiben sich besorgte Elternteile, sowie der Wert einer romantischen Liebe und dem dieser entgegengesetzten nüchternen Karrieredenken. Es ist keine kleinlich-empirische Abarbeitung eines psychischen Pflegefalls, nein nein wir sind schließlich immer noch in einer wahrlich hollywoodeskem Teenager-Lovestory, es ist aber ein Film, dessen Charaktere keine einzigen Plattitüden sind mit dem sich möglichst viele Zuschauer auf Teufel komm raus für einen Datekino- oder Fernsehabend identifizieren sollen, sondern ein alles in allem gelungener Versuch zu zeigen, dass hinter seelisch-zerrüttenen, nicht immer nachvollziehbaren Menschen nicht selten ein umso größerer Hilferuf nach Liebe steckt.
Wie ein Kampf mit dem schlechten Drehbuch
„Verrückt/Schön“ erscheint so, als würde der Regisseur dazu gezwungen worden sein eine standard-klischeehafte Lovestory zwischen zwei ungleichen Individuen abzuleisten, er aber sich mit Händen und Füßen gewehrt hätte um noch das Beste aus dem Stoff zumachen. Vielleicht hat der Regisseur auch gegen das Script von Phil Hay und Matt Manfredi angedreht. Das weiß man nicht. Das Ergebnis allerdings ist erstaunlich unrund in einem positiven Sinne. Ein Film, der für eine Hollywoodlovestory überraschend oft Liebe für seine eigene Figurenkonstellation offenbart. In gewisser Weise ein Film, der ein Vorbild ist, für alle Reißbrettlovestorys, die keinen Aufwand betreiben um ihre Figuren persönlich und klischeelos zu machen. „Verrückt/Schön“ hat immer noch eine sträflich klassische Lovestoryprämisse, um leichte Kitschansätze kommt der Film auch nicht herum, aber er versucht es zumindest so gut wie Hollywood es gerade noch zu erlauben vermag. Das ist verrückt und daher auch schön. Hach, jetzt habe ich es doch gebracht.
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