Rausboxen aus dem kriminellen Umfeld: Kazan schafft eine zeitlose Parabel.
Originaltitel: On The Waterfront
Alternativtitel: Die Faust im Nacken
Produktionsland: USA
Veröffentlichungsjahr: 1954
Regie: Elia Kazan
Drehbuch: Budd Schulberg
Produktion: Sam Spiegel
Kamera: Boris Kaufman
Montage: Gene Milford
Musik: Leonard Bernstein
Darsteller: Marlon Brando, Karl Malden, Lee J. Cobb, Rod Steiger, Eva Marie Saint, Pat Henning, Leif Erickson, James Westerfield, Fred Gwynne
Laufzeit: 108 Minuten
Im Hafen von New York werden die Arbeiter brutal von der korrupten Gewerkschaft unterdrückt. Als Charley (Rod Steiger) ermordet wird, brechen für seinen jüngeren Bruder Terry (Marlon Brando) harte Zeiten an. Nachdem Terry vor Gericht als Zeuge ausgesagt hat, läßt der Gewerkschaftsboss (Lee J. Cobb) ihn brutal zusammenschlagen. Hier im Hafen zählt nur das Recht des Stärkeren. Mit Hilfe von Edie (Eva Marie Saint) und Pater Berry (Karl Malden) gewinnt Terry das Vertrauen der Hafenarbeiter. Zusammen beginnen sie den Kampf um menschenwürdige Arbeitsbedingungen und gegen das Terrorregime der Gewerkschaft.
Quelle: Moviepilot.de
Replik:
(ursprünglich erschienen als Post
im mittlerweile inaktiven Filmtiefen.de-Forum, 17.08.2012)
Das New Yorker Hafenviertel (englisch: Waterfront) ist Schauplatz dieses Films, der nicht ohne Grund zu den größten Klassikern des amerikanischen Kinos gehört. Arbeit gibt es am New Yorker Hafen der 50er Jahre wenig — Solche die es gibt, ist hart und mäßig bezahlt. „On the Waterfront“ blickt ungeschönt über die Schultern einer besitzesarmen Arbeiterklasse zur Zeiten der einsetzenden Gewerkschaftsbewegungen in den USA. Im Hafenviertel wo der Ex-Profiboxer Terry Melloy (Marlon Brando) für seine Dollars schuftet, hat sich jedoch eine korrupte Gewerkschaft gebildet, die von Kleinganoven regiert und mafiaähnlich organisiert wird. Man schreckt vor Gewalt bis hin zum Mord nicht zurück, die Arbeiter spielen das perfide Machtspiel mit, denn sie könnten die nächsten auf der Abschussliste sein. „On the Waterfront“s Protagonist Terry nimmt eine Sonderstellung ein, da er als Bruder eines einflussreichen Ganoven gewisse Privilegien genießen kann. Als aber Pfarrer Berry und Edie, die Schwester eines ermorderten Hafenarbeiters, in die sich Terry verliebt zum offenen Kampf gegen die Kriminalität und Kooperation mit der im Viertel verachteten Polizei aufruft, kommen Terry mehr und mehr Zweifel an der moralischen Richtigkeit seines Milieus …
Eine Rechtfertigung für Kazans Verrat?
Regisseur Elia Kazan war zu Lebzeiten selbst Kommunist, leistete jedoch Verrat an seinen ehemaligen Parteigenossen indem er ihre Namen dem Komitee für unamerikanische Umtriebe übergab. Nicht wenige sahen in diesem Verhalten ein unverzeihliches Handeln und im Film „On the Waterfront“, in dem der Protagonist ebenfalls seine ehemaligen Freunde verrät, eine Art Rechtfertigung für sein Handeln. Tatsächlich ist dies jedoch abzulehen, denn hinter dem Verrat im Film verbirgt sich sogar etwas wie ein sozialpolitisches Plädoyer, die dem profitorientierten Kapitalismus den Spiegel vorhält und für eine korruptionslose Gewerkschaft nach europäischem Vorbild plädiert. Nach europäischem Vorbild ist auch durchaus der schmutzige, semidokumentarische Filmstil gelungen, der deutliche Wurzeln im italienischen Neorealismus zeigt. Das ungeschönte, in famosen Schwarzweiß-Fotografien eingefangene New York ist Schauplatz einer wendungsreichen und durchaus spannenden Geschichte, die sowohl als historisches Zeitzeugnis der Arbeiterbewegung in den amerikanischen 50ern, als auch als nach wie vor aktuelles sozialpolitisches Statement oder einfach als einfache moralische Parabel funktioniert.
Talente im falschen Umfeld
Terry ist ein Boxer, der zu Glanzzeiten seiner Karriere ein Weltstar hätte werden können, aber er verliert absichtlich einen wichtigen Boxkampf um den Wettplänen seiner Ganovenfreunde in die Hände zu spielen. Anhand diesem Details erkennt man die Aktualität dieses Films: Terry ist ein junger Mann, der Perspektive hat, der aus eigener Kraft sich aus seinem sozial-schwachen, kriminellen Milieu im wahrsten Sinne des Wortes herausboxen kann. Jedoch blieb er zunächst Opfer seines Umfeldes, da er überzeugt von der moralischen Richtigkeit und seinem eingeschlagenen Lebensweg ist (aktuelle Bezüge lassen sich beliebig auf musisch oder sportlerisch begabte junge Menschen in unserer Gesellschaft ausweiten, die aufgrund ihres ungünstigen Umfeldes Kriminalität den Vorzug lassen), dass er nach wie vor der kleine Handlanger der Ganoven bleibt, der von den großen Tieren des Kriminellenkreises klein gehalten wird. Interessant auch, dass der Film in den Anfangsminuten aus der Erzählperspektive eines Terrys erzählt wird, der selbst noch das Verschweigen von Mördern als notwendig betrachtet. Kazans Film geht so geschickt vor, dass man den von moralischer Richtigkeit schwadronierenden Pfarrer zunächst aus größerer Distanz als den verlogenen Protagonisten begegnet und so selbst tatsächlich (noch) nicht besser ist, als das Pack im Hafenviertel. Mit dem Verlauf des Films und der Wandlung des Protagonisten, die Brando authentisch gibt ohne von seiner maskulinen Haudraufmentalität zu verlieren spielt, erlebt der Zuschauer somit auch selbst mit, dass ein Auflehnen gegenüber dem übermächtig erscheinenden Gegenüber möglich ist.
Ungewöhnlich sozialpolitisch
Die obligatorische Liebesgeschichte zwischen Terry und Edie bleibt immer nur Teil des Großen und Ganzen, bleibt immer Teil der moralischen Kehrtwende. Kazan meistert diesen Nebenstrang ohne in sentimentale Drehbuchfettnäpfchen zu tappen. Das Skript ist ein wahres Kleinod, immer zielgerichtet, stringent und voller intelligent abgestimmter Wortwechsel. Die Schauspieler tun ihr übriges. Neben Brando, für den jede Trophäe mehr als berechtigt ist, brilliert auch vor allem Rod Steiger in der Rolle des Protagonistenbruders. Insgesamt ist „On the Waterfront“ aus technischer Sicht eine runde Leistung ohne Schwächen, die von der pessimistischeren Schwarzweißoptik deutlich profitiert. „On the Waterfront“ ist ein detailverliebtes, vielfach auslegbares Meisterwerk des amerikanischen Films, das für seine Zeit ungewöhnlich deutlich mit sozialpolitischem Statement daher kommt. Kazan ebnete zudem auch die künstlerischen Werdegänge eines Francis Ford Coppola oder Martin Scorsese mit seinem Film und steht zurecht in vielen prominenten Bestenlisten auf einer Topplatzierung.
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