Wettschulden sind Ehrenschulden
Originaltitel: Einsam
Produktionsland: Deutschland
Veröffentlichungsjahr: 2007
Regie: Dimitri Rachmann
Drehbuch: Dimitri Rachmann
Produktion: Daniel Cehic, Dimitri Rachmann
Kamera: Leif Thomas
Montage: Daniel Cehic
Musik: Hans Zimmer
Darsteller: Jörg von Liebenfelß, Heike Thiem-Schneider, Willi Thomczyk, Joye Treptow, Ralf Hohndorf, Dimitri Rachmann u.A.
Laufzeit: 17 Minuten
Der Rentner Klaus-Günther Herz ist einsam. Die ehemaligen Arbeitskollegen begegnen ihn nur noch mit Genervtheit und gemeinen Witzen, die Anbandelungen an eine „jüngere“ Frau im Linienbus funktioniert nur so mittelprächtig und selbst die eigenen Kinder lassen ihn hängen. Dabei will er doch nur jemanden finden, der mit ihm ein bisschen redet und seinen selbstgebratenen Braten isst.
Quelle: moviepilot.de
Replik:
Aufgrund meiner Niederlage im Oscar-Tippspiel vs. Dima Richman musste ich seinen Debüt-Kurzfilm „Einsam“ rezensieren, womit ich hiermit nachkomme.
Mein guter alter Rapper-Kollege und Oscar-Podcast-Dauergast Dima Richman ist gerade Vater geworden. Vor ziemlich genau zehn Jahren kam sein erster Kurzfilm raus, den er als Abschlussprojekt auf der Medienakademie WAM in Dortmund realisierte. Dass der damals Zwanzigjährige einen Film über Alterseinsamkeit drehte, mag irritieren, wenn man seinen sonstigen Output kennt (und schätzt). „Einsam“ ist eine weitestgehend generische TV-Film-Hausaufgabe, die sich in der vermeintlichen Reife ihrer Handlung und formelhaften Machart selbst gefangenhält.
Einsam from Dimitry Rachmann on Vimeo
HipHop & Humor
Dima Richman als Künstler steht für einen entfesselten, selbstbewussten Mut zum Blödsinn. Selbstzelebrationen, in der für den Internet-HipHop unserer Tage so typischen Unschärfe zwischen ironischer Kunstfigurhaftigkeit und ernstgemeinter Performanz. Aber immer mit dem deutlichen Hang zum Trash. Werke wie „Papa“ (das ebenfalls an besagter Medienakademie entstand), „Badewanne“ (als Feature mit Alligatoah) oder natürlich seine zahlreichen Einsätze im VBT zeigen ihn als einen intuitiven Künstler. Die Sachen machen Spaß, weil sie — so albern sie sein mögen — selbstbewusst und authentisch dargeboten werden und keinem großen Nachdenken folgeleisten, sondern aus sich selbst heraus zu sprudeln scheinen. Dima Richman hat ein beneidenswertes entertainerisches Talent, dem keine angelernten Techniken zugrunde liegen scheinen, sondern ein Naturell.
Zu seicht, vielleicht
So. Genug Künstlereinordnung aka Fangewichse. Kommen wir mal auf den Film zurück. „Einsam“ erzählt die Geschichte seines einsamen Rentners Klaus-Günther Herz auch in der Komödienform. Dieser ist erstmal das klischierte Abziehbild eines Rentners mit allerlei Alte-Männer-Marotten, wie man sie zu Genüge gesehen hat. Das muss nicht schlecht sein, solang man damit spielt, sie z.B. effektiv überhöht, konterkariert etc. „Einsam“ nutzt sie aber — samt des Hauptkonfliktes der Alterseinsamkeit — nur um recht unbeweglich damit vorhersehbare Pointen und Mini-Plotpunkte abzuklappern. Dabei bleibt auch der Humor überraschend seicht. Immer wieder wird der Protagonist von seinen Mitmenschen in situationskomisch angelegten Momenten abgewiesen bzw. abgelehnt und reagiert darauf mit einem traurigen Blick, der sich dann zu einer mit Streicher unterlegten Szene kulminiert, die bereits in den den ersten Sekunden der Einstellung vorhersehbar ist. Was auch wiederum mit der sehr TV-filmartigen Kinematografie des Films, reich an unnötigen Kraneinsätzen etc., zu tun hat, denn besagte Szene beginnt mit einer geradezu verdächtigen Kamerafahrt.
Die optimistische Schlussnote des Films möchte ich aber zumindest noch lobend hervorheben, denn sie verbindet zwei Setups der weitestgehend beliebigen Aneinanderreihung an Einsamkeitssketchen zu einem hybriden Payoff, der gerade deswegen nicht ganz vorhersehbar ist, weil die gesetuppten Situationen zuvor so beliebig waren. Hier nutzt Dima eine Stärke des Kurzfilmmediums, in dem man, ähnlich einer Kurzgeschichte oder eines Witzes, unzureichend kausale Situationen und Repetitionen dem Zuschauer stärker zumuten kann, da er sich nur eine kurze Zeit damit beschäftigen muss.
Ein Herzfehler
Alles in allem fühlt sich der Film wie die Kopie einer Idee von Reife und Sanftheit an, die dann eben seicht, banal und beliebig ist. Mit dem Wissen des Künstlers fehlen genau die Momente, die ihn ausmachen. Etwas Anarchisches, Überzogenes, Pubertäres und Sinnloses. „Einsam“ folgt recht sklavisch dem braven filmischen Duktus einer Komödie, deren Zielgruppe geradewegs Altersgenossen vom Protagonisten sein könnten. Unklar ist, ob Dima Richman sein Drehbuch in einengender Nähe eines Seminars seiner sehr fernsehnahen Akademie schreiben musste, also Sklave der Umstände war, oder ob er sich so als Zwanzigjähriger so etwas wie handwerkliche und motivische „Reife“ vorgestellt hat. Gerade das ist es jedenfalls nicht. Es ist keine Reife, sondern Selbstbeschneidung seiner eigenen künstlerischer Ader. Reife wäre es gewesen, dem eigenen künstlerischen Impetus einen adäquaten, formal konsequent zu Ende gedachten Ausdruck zu verleihen. Im Falle Dimas wohl diese bereits angesprochene positive Überheblichkeit, die in ihrer Selbstinhärenz eine große humorvolle Kraft birgt. Etwas, das ihm in seiner Musik bereits gut gelingt und warum sollte das nicht auch in Form eines Spielfilmes gehen?
Bildrechte aller verlinkten Grafiken: © Leif Thomas / Dimitry Rachmann