Skip to content

Am Wegesrand

Blog für Drehbuch- und Filmkultur

Menu
  • Filmrepliken
    • Nach Titel
    • Nach Zustimmung
    • Nach Regie
    • Nach Tags & Themen
    • Nach Produktionsland
    • Nach Jahren
    • Nach Kategorie(n)
  • Andere Artikel
    • Gespräche
    • Mythen des Alltags
    • Special
  • Über die Seite
    • Glossar verwendeter Begriffe
    • Impressum
    • Kritische Gedanken zur Kritik
Menu

Eye On Juliet (quickshot)

Posted on 27. September 20174. Februar 2022 by Bobby Stankovic


Weltpolizei und Roboterliebe.

Originaltitel: Eye On Juliet
Produktionsland: Kanada, Marokko, Frankreich
Veröffentlichungsjahr: 2017
Regie: Kim Nguyen
Drehbuch: Kim Nguyen
Produktion: Pierre Even
Kamera: Christophe Collette
Montage: Richard Comeau
Musik: Timber Timbre
Darsteller: Joe Cole, Lina El Arabi, Faycal Zeglat u.A.
Laufzeit: 96 Minuten

Im Drama Eye on Juliet begegnen sich Gordon (Joe Cole) und Ayusha (Lina El Arabi): der Wächter einer Wüsten-Pipeline und eine junge Frau aus dem Mittleren Osten. Zum verbindenden Glied wird dabei eine Roboter-Spinne, die Gordon steuert. (ES)
Quelle: moviepilot.de

Replik:

Man kann diesen Moment gar nicht in Worte fassen: Meine Perplextheit und die meiner Juroren-Kollegen (die dieses Jahr in der Venedig-Nebensektion Giornate Degli Autori tätig waren) als ausgerechnet „Eye On Juliet“, der als einziger Film der Sektion ausnahmslose Ablehnung von der Jury erhalten hat; als ausgerechnet dieser Film den Kritiker-Preis in unserer Sektion als „bester Film“ bekam. Und wieder einmal fragte ich mich: Ist dieser Film vielleicht doch eine Satire? Aber nein, die Anzeichen sprechen dagegen. Vielleicht ist diese Kritik auch ein Versuch der Reflexion, wie und ob man diese Story, die uns Kim Nguyen auftischt, wirklich ernst meinen kann. Tut man das nämlich muss man von nichts anderem als einem ethischen Desaster sprechen.

Romeo und Julia als Diktat des weißen Mannes

Dabei beginnt alles ganz vielversprechend. Wir haben eine spannende Prämisse: Ein junger Mann, von der Schnelllebigkeit des Internetdatings (Tinder lässt hier prominent grüßen) seiner Arbeit als Global-Policeman nachgeht. Pipelines eines amerikanischen Ölkonzerns im „Nordafrika“ der Zukunft werden mit krebsartigen Robotern verteidigt. Gordon, so heißt der Protagonist, muss diese Krebsroboter per Joystick steuern und ist dank neuester Dolmetsch-Software in der Lage, alle nordafrikanischen Einwohner zu verstehen als auch mit ihnen zu kommunizieren. Die Roboter sind mit Luftdruckgewehren bewaffnet und damit zumindest „weich militarisiert“. Das ist alles erstmal so blödsinnig nicht. Diese Zukunft ist denkbar, die Thematisierung von amerikanischem Wirtschaftsimperialismus und dem Anspruch der Weltpolizei ist interessant und der Konnex zur leidenschaftslosen Internetkommunikation intelligent. So weit, so gut.

Wo man aber jetzt davon ausgeht, dass Kim Nguyen eine kritische, vielleicht ironische Distanz zu seinem Heroen entwickelt, passiert mit fortschreitender Handlung genau das Gegenteil. Nguyen installiert eine nicht wenig kitschige Liebesgeschichte, für die er sich dann einzig und allein interessiert. Die „Nordafrikanerin“ Ayusha, eine recht mordern denkende junge Frau, die in einem Internet-Café arbeitet, möchtet die große Liebe ihres Lebens, Kaarim heiraten, wird aber von ihrer Familie mit einem älteren Mann verlobt. Der gute alte Topos der arranged marriage also. Wie schön, dass es einen amerikanischen Mann gibt, der das Ganze beobachtet, sich zunehmend dafür interessiert und sich in die Geschichte hinter den beiden verliebt und sich im Weiteren dann für die beiden einsetzt. Bequem von seinem Computer in Detroit aus tauft er die beiden Romeo und Julia.

Der amerikanische Held (nicht spoilerfrei)

Aber es kommt noch bescheuerter. Die Katastrophe geschieht und Gordon tötet versehentlich Kaarim, weil dieser illegal Öl abzwacken will und dann durch einen Unfall stirbt. Gordon wäscht natürlich seine Hände in Unschuld, denn es war ja ein Unfall. Davon schafft er es schließlich auch Ayusha zu überzeugen. Und diese junge Frau, die ihr ganzes Leben lang darauf gehofft hat, Kaarim zu heiraten, wird sich jetzt tatsächlich durch den Heroismus des weißen Mannes, der ihr helfen will aus der Hölle auf Erden, „Nordafrika“, zu fliehen, in ebenjenen verlieben. Ohne ihn je gesehen zu haben, einfach durch seine Leidenschaft und die Güte seiner Taten.

Am Ende treffen sich die beiden tatsächlich in Paris, an einem ganz bestimmten Ort zu einer ganz bestimmten Zeit, und verlieben sich in einander. Gerade aufgrund dieses Before-Sunrise-Zitats ist eine Nähe zur Satire wirklich naheliegend. Das kann man doch nicht ernst meinen. Aber als Ganzes betrachtet, scheinen mir die Ironien des Films (einschließlich des Endes) immer noch Agenten einer alles in allem ernstgemeinten Handlung zu sein und einzig publikumsaffine Späße sein zu wollen, die kein Interesse daran haben, sich sarkastisch gegen die eigene Geschichte zu richten. Nein, „Eye On Juliet“ ist viel mehr Neill Blomkamp als Paul Verhoeven.

Propaganda für amerikanische Außenpolitik

Und das ist schon ein ganz schönes Problem, aus ethischer Sicht. „Eye On Juliet“ — der Film eines Franko-Kanadiers mit vietnamesischen Wurzeln — ist am Ende nichts anderes als ein Propagandafilm für das US-amerikanische Selbstverständnis geworden. In ökonomischer und militärischer Hinsicht (amerikanischer Wirtschaftsimperialismus in „Nordafrika“ wird hier als gegeben dargestellt und nicht wirklich kritisch hinterfragt), vor allem aber in ethisch-kultureller Hinsicht: Hier wird ja der Individualismus des amerikanischen Systems bis zum Himmel gejubelt. Das heroische Individuum darf sich gegen alles und jeden stellen, solang sein Herz auf der richtigen Seite schlägt. Gleichzeitig wird auf ein ganzes Werte-und-Normen-System der islamischen Welt durch die Brille des Vorurteils herabgeblickt und sie auf arranged marriages reduziert. Eigentlich warten die Muslime dort ja nur auf den weißen, aufgeklärten Romantiker, der sich ihrer annimmt und sie errettet. Mit demselben Selbstverständnis werden und wurden arrogante und inhumane Angriffs- und Stellvertreterkriege im nahen Osten geführt. „Eye On Juliet“ ist ideologisches Rüstzeug für die amerikanische Außenpolitik der letzten zwei Jahrzehnte.

Mehr kann man dazu nicht sagen. Außer vielleicht die Hoffnung zu äußern, dass wir uns doch alle täuschten, in der Jury, und „Eye On Juliet“ eigentlich eine Satire ist.

20%

Bildrechte aller verlinkten Grafiken: © Item 7 / Agora Films / MFA+ Filmdistribution

Anschlusslektüre

Ex Machina (mediumshot) Chappie (quickshot) Incendies (quickshot) Cloud Atlas (mediumshot)
  • Genre: Action
  • Genre: Actionkomödie
  • Genre: Liebesfilm
  • Genre: Science-Fiction
  • Genre: Thriller
  • Jahr: 2017
  • Jahrzehnt: 2010er
  • Lesart: Sprach-/Kommunikationsphilosophie
  • Lesart: William Shakespeare
  • Produktionsland: Kanada
  • Regie: Kim Nguyen
  • Thema: Identität
  • Thema: Internet
  • Thema: Islam
  • Thema: Nahostkonflikt
  • Thema: Roboter
  • Thema: Tod und Trauer
  • Zustimmung: 20%
  • Zustimmungsbereich: 20-29%
  • 2 thoughts on “Eye On Juliet (quickshot)”

    1. Pingback: Das Filmjahr 2017 | Meinungsimperialismus
    2. Pingback: Goldene Tellerränder 2017 | Meinungsimperialismus

    Schreibe einen Kommentar Antworten abbrechen

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

    • März 2023
    • Februar 2023
    • Januar 2023
    • Oktober 2022
    • September 2022
    • August 2022
    • Juni 2022
    • Mai 2022
    • April 2022
    • Februar 2022
    • Januar 2022
    • September 2021
    • Mai 2021
    • April 2021
    • März 2021
    • Februar 2021
    • Januar 2021
    • Dezember 2020
    • November 2020
    • Oktober 2020
    • September 2020
    • August 2020
    • April 2020
    • März 2020
    • Januar 2020
    • November 2019
    • Juni 2019
    • Mai 2019
    • Februar 2019
    • Januar 2019
    • November 2018
    • Oktober 2018
    • September 2018
    • März 2018
    • Januar 2018
    • Dezember 2017
    • Oktober 2017
    • September 2017
    • August 2017
    • Juni 2017
    • April 2017
    • Februar 2017
    • Januar 2017
    • Dezember 2016
    • November 2016
    • September 2016
    • August 2016
    • Juli 2016
    • Mai 2016
    • April 2016
    • März 2016
    • Februar 2016
    • Januar 2016
    • Dezember 2015
    • November 2015
    • Oktober 2015
    • September 2015
    • August 2015
    • Juli 2015
    • Juni 2015
    • Mai 2015
    • März 2015
    • Februar 2015
    • Januar 2015
    • Dezember 2014
    • November 2014
    • Oktober 2014
    • September 2014
    • August 2014
    • Juli 2014
    • Juni 2014
    • Mai 2014

    © 2023 Am Wegesrand | Powered by Minimalist Blog WordPress Theme