Jugend und Trauma: Das erste Mal konfrontiert mit einem Schicksalsschlag.
Originaltitel: Paranoid Park
Produktionsland: USA
Veröffentlichungsjahr: 2007
Regie: Gus Van Sant
Drehbuch: Gus Van Sant
Produktion: Charles Gilbert, Neil Kopp
Kamera: Christopher Doyle
Montage: Gus Van Sant
Darsteller: Gabe Nevins, Taylor Momsen, Jake Miller, Scott Patrick Green, Daniel Lu, Christopher Doyle
Laufzeit: 85 Minuten
Der Eastside Skateboard Park unter einer der Brücken in Portland, Oregon, ist kein Ort, an den Jugendliche aus den besseren Gegenden der Stadt allein hingehen. Hier treffen sich Kids, um die sich niemand kümmert. Sie haben das Areal selbst gestaltet, eine autonome Zone, in der Erwachsene nichts zu suchen haben und die alltägliche Realität keine Rolle spielt – deswegen passt der Name “Paranoid Park” so gut, von dem auch die Freunde Alex und Jared schon oft gehört haben. Eines Tages fassen sie sich ein Herz und gehen hin. Sie sitzen am Rand und beobachten die Skater, die ganz versunken in ihre Bewegungen scheinen. Alex und Jared sind beeindruckt, sie beschließen, am darauffolgenden Samstag wiederzukommen. An diesem Tag hat Jared dann aber etwas anderes vor, und so geht Alex eben doch allein hin – was er in dieser Nacht erlebt, und wie er damit umgeht, ist die Geschichte des Films Paranoid Park. Die Erfahrungen der Adoleszenz verdichten sich für Alex auf ein Erlebnis, das allen anderen Sachen (die Schule, die Beziehung zu seiner Freundin Jennifer, die Freundschaft mit dem Mädchen Macy, die Scheidung der Eltern) eine neue Qualität gibt.
Quelle: Moviepilot.de
Replik:
(ursprünglich erschienen als Post
im mittlerweile inaktiven Filmtiefen.de-Forum, 28.05.2013)
„Paranoid Park“ ist sogar bisher mein liebster Van Sant – ein Regisseur, der bisher nicht sonderlich um meine Sympathien warb mit seinem vollends langweilig-substanzlosen „Last Days“, dem in Fettnäpfchen tretenden Möchtegernfilmchen „Elephant“ oder der dreisten Zweifachschöpfung „Good Will Hunting/Finding Forrester“ wobei ersterer natürlich trotzdem großartig ist. Was „Paranoid Park“ stark macht, ist, dass er im klassisch van-Santschen jugendlichem Milieu die richtigen Töne trifft, ein traumatisches Erlebnis im Erwachsenwerden einfühlsam behandelt.
Notwendige Heftigkeit
Ich habe den Film vor etwa drei Jahren gesehen und konnte mich ganz gut mit dem Protagonisten identifizieren. Der Unfall mit dem Sicherheitsbeamten ist das zentrale Geschehnis und stellt den jungen Alex auf eine seelische Probe. Niemandem kann er es erzählen und die Angst vor dem Jugendgefängnis ist eben so groß wie die schockierenden Bilder des Unfalls traumatisierend sind. Die Unfallszene setzt den Film zwar ganze 4 Jahre höher auf der FSK-Einstufung, was schade ist, weil der Film eben mit seinem Verständnis und Identifikationspotenzial für Jugendliche eben auch für Unter-Sechzehnjährige interessant ist, andererseits ist es wichtig, den Unfall dann doch so heftig zu zeigen, weil der Zuschauer erst dadurch einen Eindruck gewinnt, wie traumatisierend das Erlebnis für den jungen Protagonisten wirklich ist.
Paranoider Zuschauer
Der Titel „Paranoid Park“ deutet auf den Skaterpark als ominöser Zufluchtsort für Jugendliche, als geheimnisvolles Rezept zur Rebellion gegen das Elternhaus. Der Titel deutet aber auch auf die paranoide Erzählweise des Films. Nachdem klar ist, dass der Protagonist von nun an ein Gesuchter ist, ist jeder Dialog und Blickwechsel mit dem introvertierten Jugendlichen ein Erlebnis, dessen Spannung zum Mitfühlen anregt.
Eine jugendliche Dummheit (SPOILER)
Besonders stark auch die Szene, in der Alex nach hause kommt, nachdem der Unfall passierte. Er wirkt eher kaputt und schlecht gelaunt, als dass er weint und äußerlich eskaliert. Trotzdem genießt er besonders lange eine Dusche als kurze Pause vor einem gesellschaftlichen Versteckspiel, das er nicht verdient hat.
Das müde, ausdrucksarme Gesicht Alex‘ lenkt die Interpretation auf den Gedanken, die sich wohl in ihm abspielen — und das ist sehr gelungen.
Auch das Ende mit dem Offenlassen von Alex‘ Schicksal weiß zu gefallen, lenkt den Fokus auf die inneren Probleme eines Jugendlichen angesichts eines traumatischen Erlebnisses. Eines Menschen, der sein Leben noch vor sich hat und ein Mittel finden muss, um damit fertig zu werden. Er schreibt einen Brief an ein Mädchen, der er die Geschichte schildert. Irgendwem muss er es erzählen, er muss die Gedanken, die als Gespenst in seinem Kopf herumgeistern ordnen und entschärfen. Letztlich verbrennt er den Brief doch, vielleicht aus Angst, das Mädchen könnte ihm in den Rücken fallen, vielleicht, weil ein imaginärer Adressat seiner Erlebnisse ausreichte, um ihm weiterzuhelfen. Er schläft dann im Biologieunterricht ein, erschöpft und endlich den Schlaf des Ewiggejagten schlafend. Gefolgt von Skaterbildern. Würde man Alex des Unfalles überführen, hätte man wohl zweier Familien, die des Sicherheitsbeamten und die Alex‘ zerstört. So bleibt der Unfall ein Unfall, eine jugendliche Dummheit, der man entkommen kann. Das ist eine Wertung, eine der man beipflichten kann.
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