Ein USA-Fähnchen im Wind oder Zynismus dem zynischen Film.
Originaltitel: American Sniper
Produktionsland: USA
Veröffentlichungsjahr: 2014
Regie: Clint Eastwood
Drehbuch: Jason Dean Hall
Produktion: Bradley Cooper, Clint Eastwood, Andrew Lazar, Robert Lorenz, Peter Morgan
Kamera: Tom Stern
Montage: Joel Cox, Gary D. Roach
Darsteller: Bradley Cooper, Sienna Miller, Max Charles, Luke Grimes, Kyle Gallner, Jake McDorman, Sam Jaeger
Laufzeit: 132 Minuten
Man sagt, er habe 160 Tötungen auf seinem Konto. Man sagt, das macht ihn zum Helden. Chris Kyle (Bradley Cooper) gilt als bester Scharfschütze der US-Armee. Als Mitglied der Navy SEALs ist es seine Aufgabe, den Gegner zu töten, bevor er auch nur in die Nähe seiner Kameraden kommt. Der Dienst ist hart und insgesamt vier Mal ist er im Kriegseinsatz im Irak. Sein Ruf dringt sogar zu seinen Feinden durch, und schon bald ist ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt. All dies belastet auch sein Leben zu Hause in den USA. Es ist nicht leicht, seine Ehe mit Taya Renae Kyle (Sienna Miller) aufrecht zu erhalten. Doch der wahre Absturz kommt erst nach dem Einsatz. Nach seiner Rückkehr in die Heimat wird er gefeiert, sie nennen ihn eine Legende. Doch er wird die Erlebnisse des Krieges nicht los und seine Ehe leidet mehr und mehr unter dem Krieg, der in Chris’ Kopf noch immer jede Nacht wieder kommt.
Quelle: Moviepilot.de/em>
Replik:
Wie zynisch darf Filmkritik sein? Generell würde ich sagen, dass Respekt vor der Arbeit eines Filmschaffenden ein Ideal sein sollte, das man nach Möglichkeit einhalten sollte. Aber Filmkritik darf eben auch alles. Und Filme dürfen nicht alles. „American Sniper“ ist ein Film, den man fassungslos hinterlässt, vor allem, wenn man seine ganzen Oscar-Nominierungen und seinen kommerziellen Erfolg dazu mitbeachtet. Ein offenkundig rassistischer Unsympath von Mensch wird darin abgefeiert, nur weil er eine historische Abschussstatistik der US-Army anführt. Und Clint Eastwood, Urheber eines humanistisch-emanzipatorischem „Gran Torino“ oder dem reflektierten Kriegs-Doppelfilm „Letters From Iwo Jima“ / „Flags Of Our Father“ präsentiert sich als der stolze, rückständige Republikaner, der er vielleicht doch insgeheim ist. Eines ist er jedenfalls nicht: Ein Auteur mit Haltung. Er ist ein USA-Fähnchen im Wind.
Redneck-Stereotyp gespielt vom Sexiest Man Alive
Wer war dieser Chris Kyle, den dieser Film hier lobpreist? Würde man jetzt einzig seine Weise zu reden und sein Aussehen zur Rate ziehen, würde man wohl sagen: Der Stereotyp eines Rednecks. Und wenn man jetzt sein Buch liest (oder zumindest Auszüge, denn wer liest sowas schon freiwillig?), würde man (Trommelwirbel) auf das gleiche Ergebnis kommen. Ein unreflektierter Cowboy, der wohl jeden Ethikunterricht geschwänzt und lieber mit seinem Redneck-Vater Hirsche gejagt hat oder in seinem Pick-Up durch Texas gebrettert ist. Bradley Cooper versucht in seinem Schauspiel zwar, unintelligenter und machoartiger rüberzukommen, aber seine Performance ist immer noch viel zu smart, als dass er den echten Chris Kyle treffen würde. Ein Edward Furlong hätte Chris Kyle vielleicht authentisch mimen können und das meine ich keineswegs beleidigend — gegenüber Furlong. Aber ein „strahlender Held“ wie Chris Kyle muss natürlich auch von einem Sexiest Man Alive gespielt werden, ist klar. Wer übrigens wissen will, warum dieser Film einen so grenzdebilen Titel hat, es ist — wie könnte es anders sein? — ganz einfach der Titel der Romanvorlage.
Muslime sind Barbaren
Chris Kyle beschreibt die irakischen Menschen darin als Barbaren und als das Abscheulich-Böse. Er schreibt von dem Vergnügen des Tötens und dass all das nur dem Schutz seiner Kameraden diente. Was macht Eastwoods Film nun mit diesem Menschen? Er geht ihm und seinen Anschauungen auf eine perfide Art und Weise auf den Leim. Allerdings nicht einmal mit voller Konsequenz. Sein Beschützerwille, seine guten Absichten werden übernommen und mit Fremdscham-Metaphorik ausgestattet („Es gibt im Leben Schafe, Wölfe und Schäferhunde (…) Ich akzeptiere nur Schäferhunde als meine Söhne„, frei zitiert). Seine rassistischen Ausdrücke werden etwas entschärft. Es ist zwar hier und da von Barbaren die Rede, aber wenn man alle ethisch-fragwürdigen Punchlines Kyles in den Film gedrückt hätte, wäre wohl dann doch das Bild des strahlenden Helds noch umgekippt. Aber was Kyle verbal bzw. schriftlich äußerte, das drückt der Film auf zynische Weise durch seine Bilder aus. Durch das Zielfernrohr Kyles sehen die irakischen Menschen tatsächlich wie Barbaren aus (abgesehen davon, dass sie irgendwie wie verkleidete Schauspieler wirken, aber vielleicht wirkt die Welt durch ein Zielfernrohr tatsächlich so unwirklich wie im Film). Manchmal sieht man auch zerstückelte Körperteile in Folterkellern, aber dass die Amis ähnliche Gräuel im Irak angerichtet haben, erzählt der Film nicht.
Der Irakkrieg als Herzensangelegenheit
Der Irakkrieg ist hier eine amerikanische Herzensangelegenheit. Ein Spielplatz zum Beweis wahren Patriotismus und wahrer Heldengröße. Ein Film für Bush-Anhänger, die sich nicht die Unsinnigkeit ihres Krieges vorhalten lassen wollen. Es wird zudem ein Sinnzusammenhang mit 9/11 suggeriert, den es in Wirklichkeit nie gab. Menschlich kann man das nachvollziehen, wer will sich schon Fehler vorhalten lassen, für die man Jahre lang sein Leben riskiert und seine Psyche belastet hat? Aber das Medium Film hat eben auch Verantwortung gegenüber anderen Menschen als gekränkten amerikanischen Patrioten. Der Film hat auch Verantwortung gegenüber der Geschichte, der Moral und auch gegenüber der irakischen Opfer.
Und dann ist dieser Film nicht einmal drehbuch-taktisch gut gelöst. Welch Frechheit es war, diesen Film auch für das adaptierte Drehbuch zu nominieren. Jason Hall wurde da nominiert. Ein Autor, der bislang „Toy Boy“ und „Paranoia — Riskantes Spiel“ geschrieben hat. Und das merkt man auch. In „American Sniper“ wird viel geschossen und gebombt. Und zwischendurch reist Kyle zurück in die Staaten, schläft mit seiner treuen, fruchtbaren Frau, die er mit seiner Cowboy-Attitüde einst souverän klargemacht hat, grillt Würstchen mit Freunden oder lässt sich von Ex-Kameraden als Held feiern. Aber das tragische Ende, das was die eigentliche Pointe des Lebens Chris Kyles war, nämlich, dass er von einem traumatisierten Ex-Soldaten erschossen wurde, das zeigt der Film erst gar nicht. Es hätte auch nicht in die Glorifizierung gepasst. In dieser Szene hätte der Krieg seine hässliche Seite gezeigt. Seine Traumatisierung, seine Unsinnigkeit, sein verdrängter Hass auf sich selbst. Und seine Ironie. Stattdessen sehen wir USA-Flaggen und noch mehr USA-Flaggen. Serious? „American Sniper“ ist wohl ungelogen einer der schlechtesten Kriegsfilme aller Zeiten. Hat dieser Film überhaupt irgendeine Qualität? Achja, der Tonschnitt. Danke, liebe Academy. Ohne euch und eure 6 Nominierungen hätte ich glatt vergessen, wie fantastisch der Tonschnitt war.
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