Der böse Mäzen. Bennett Miller setzt einen unglücklichen Fokus.
Originaltitel: Foxcatcher
Produktionsland: USA
Veröffentlichungsjahr: 2014
Regie: Bennett Miller
Drehbuch: E. Max Frye, Dan Futterman
Produktion: Anthony Bregman, Megan Ellison, Jon Kilik, Bennett Miller
Kamera: Greig Fraser
Montage: Jay Cassidy, Stuart Levy, Conor O’Neill
Musik: Rob Simonsen
Darsteller: Steve Carell, Channing Tatum, Mark Ruffalo, Sienna Miller, Vanessa Redgrave, Anthony Michael Hall, Guy Boyd, Brett Rice, Roger Callard
Laufzeit: 129 Minuten
Mark Schultz (Channing Tatum) hat als Ringer schon viel erreicht und bereits bei den Olympischen Spielen 1984 die Goldmedallie erkämpft. Er plant diesen Erfolg bei den Spielen 1988 in Seoul zu wiederholen, doch selbst als goldprämierter Ringer fehlt ihm das Geld für das nötige Training. Seine Situation scheint aussichtslos, als er auch seine Stelle als Hilfstrainer unter seinem Bruder David Schultz (Mark Ruffalo) an der Universität verliert. Da erreicht ihn das Angebot des Multimillionärs und Vogelbeobachters John du Pont (Steve Carell). Du Pont ist selbst Wrestling-Fan und bietet Mark an, auf seiner Foxcatcher Farm ein eigenes Team aufzubauen. Jeder seiner Ringer soll ein eigenes Gehalt und Verpflegung bekommen.
Quelle: moviepilot.de
Replik:
Das Thema Sport-Mäzene, also dem Fördern von Sportvereinen und -institutionen durch milliardenschwere Privatpersonen oder Konzerne, ist hochaktuell. Auch im europäischen Lieblingssport Fußball ist dieses Phänomen längst etabliert und halbwegs toleriert. Vor allem in England und Italien, aber auch zunehmend in Deutschland. Der Film „Foxcatcher“ von Bennett Miller handelt von den Anfängen dieser Verbandelung von Sport- und Wirtschaftswelt, dieser Privatisierung des olympischen Gedankens. Jedoch möchte Millers Film noch so viel mehr als das sein. Biografie, Sportfilm und vor allem psychologisches Drama. Die routinierte (und in Cannes ausgezeichnete Regie), samt sehenswerter Schauspielleistung sämtlicher Darsteller können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass „Foxcatcher“ seinen eigenen Ansprüchen eher schuldig bleibt.
Auf den Spuren von „Raging Bull“
Miller wandelt hier auf den Spuren des großen Martin Scorseses und möchte wie in „Raging Bull“ den Sportfilm neu nach Spielregeln des Psychodramas zusammensetzen und sich über klassische Dramaturgien des Sport-Genres hinwegsetzen. Und so ist auch der kühle und tempoverringerte Erzählstil von „Foxcatcher“ mit seinen Kampfchoreografien, die uns mehr über die Menschen, die dort kämpfen als über den Wettkampf aussagen, die maßgebende Stärke des Films „Foxcatcher“. Der Film geht auch wissentlich das Risiko fehlender Empathiebereitschaft des Zuschauers ein, indem selbst der Protagonist Mark Schultz als ziemlich wortkarger und, man muss schon fast sagen, ein wenig dümmlicher Muskelberg dargestellt wird. Sympathieträger ist wohl einzig Marks Bruder David als charismatischer und erwachsener Familienvater.
Gesteuerter Hass auf den Mäzen
Dass der Film in seiner Charakterzeichnung kühl ist, garantiert aber nicht seine Neutralität. Und hier ist wohl das größte Problem von „Foxcatcher“ zu finden. John Du Pont, der großindustrielle Sportmäzen bekommt wohl die meiste Spielzeit für ein auf den ersten Blick ausführliches psychologisches Profil. Aber genauer betrachtet beschränkt sich dieses auf die Einsamkeit des Reichtums und ein kränkelndes, emotionales Verhältnis zu seiner Mutter, dessen Konflikte ebenfalls überschaubar sind. John Du Pont möchte im Gegensatz zum adelaffinen Pferdesport seiner Mutter, den „low sport“ des Ringens unterstützen. Er widersetzt sich seiner Mutter damit und will gleichzeitig damit als soziales Wesen wahrgenommen werden, was ihm sein Leben bislang verwehrt blieb. Du Pont spielt sich als Vater, Freund und Mentor auf und lässt sich medial auch so darstellen. Und letztlich geht er daran zugrunde, dass all seine sozialen Bindungen auf der Lüge des Geldes fußen. Von Comedian Steve Carell ist das recht eindrucksvoll, aber eben auch sehr monovalent dargestellt. Als Zuschauer kommt man nicht darum herum, diese Figur, John Du Pont, zu hassen. Die tragischen Momente verlagert der Film komplett auf die Gebrüder Schultz. Man soll nicht am Leiden von Du Pont teilhaben, sondern leidet immer an der Seite seiner Ringer und somit gegen Du Pont.
Der populistische Doku-Film als verpasste Fokus-Chance
Damit manifestiert der Film ein einfaches Bild des John Du Pont, dem großindustriellen Menschenfeind, der sich selbst als Philanthrop ausgibt und damit ein besonders bigotter, abartiger Mensch ist. Als jemand, der soziales Ansehen wie eine Ressource behandelt, die er anhäufen möchte. Der Film geht sehr marginal auf das Leben von Du Pont ein, nicht auf Krankheiten, die er möglicherweise hatte (Schizophrenie, Verschwörungswahn) und generell bleibt vieles in „Foxcatcher“ in ungenauen Andeutungen stecken, wodurch auch das eskalative Ende des Films ziemlich überraschend und schwer nachvollziehbar auftritt. Benett Miller legt seinen Fokus zu sehr auf ein Psychogramm, das nicht so recht zünden will und erzeugt in einem Film mit stolzer 129-Minuten-Länge jede Menge unausgegorenes Stückwerk. Im Grunde ist „Foxcatcher“ die üble Nachrede auf eine Person, die 2010 im Gefängnis gestorben ist, anstatt sich wirklich tief mit ihr zu beschäftigen. Der populistische Dokumentarfilm, den Du Pont über sich selbst und sein Mäzen-Projekt drehen lässt, wäre hingegen ein großartiger filmischer Fokus gewesen. Dann wäre es nicht nur um die Psychologisierung von Du Pont zur sinistren Gestalt gegangen, sondern tatsächlich um den Populismus an sich. Oder um das Mäzenatentum im modernen Sportgeschehen. Oder auch um John Du Pont als Person — nicht als Ungeheuer.
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