
Thomas Arslan dokumentiert ein ungewohntes Berufsfeld.
Originaltitel: Dealer
Produktionsland: Deutschland
Veröffentlichungsjahr: 1999
Regie: Thomas Arslan
Drehbuch: Thomas Arslan
Produktion: Käte Caspar, Sibylle Hubatschek-Rahn
Kamera: Michael Wiesweg
Montage: Bettina Blickwede
Darsteller: Tamer Yiğit, İdil Üner, Birol Ünel, Baki Davrak, Hussi Kutlucan
Laufzeit: 74 Minuten
Can, Kleindealer mit türkischem Paß in Berlin-Schöneberg, steckt in einer Krise. Seine Freundin will ihn zusammen mit dem gemeinsamen Kind verlassen. Sein Auftraggeber Hakan verspricht ihm eine eigene Bar, hält ihn aber hin, wird schließlich erschossen. Ein Zivilpolizist ist ihm auf den Fersen.
Quelle: Moviepilot.de
Replik:
(ursprünglich erschienen als Post
im mittlerweile inaktiven Filmtiefen.de-Forum, 09.09.2013)
„Dealer“ ist der Name eines Films über Dealer und somit der vielleicht einfallsloseste Name, den man sich vorstellen kann. Könnte man meinen. Arslans zweiter Film nach „Kardesler“ untergräbt diese Etikettierung „Dealer“ aber eher als dass er sie romantisiert oder mystifiziert. Sein Dealer ist ein Berufstätiger wie jeder andere, mit denselben Routinen und mechanischen Tagesabläufen. Nur vielleicht nicht denselben beruflichen Risiken …

Spürbar machen
Anders als Fatih Akins „Kurz und schmerzlos“ legt Arslan weniger wert auf den Aufbau von Thrill, sein Film ist beinahe von dokumentarischer Bedächtigkeit. Arslan geht es auch nicht darum einen Rise & Fall im Ghetto auf die Leinwand zu bringen, sondern das Dealer-Millieu detailgetreu nachzuzeichnen und nachzuempfinden. Sein Held, Can, ist kein Träumer vom großen Geld, sondern ein einfacher Mann, der über die Runden kommen will und obendrein noch ein Vater einer kleinen Tochter. Keine Figurenbeziehungen werden mehr als nötig ausgeleuchtet, der Fokus liegt eher auf dem Millieu, in dem sich Can bewegt. Arslan macht die Unbefriedigung des Dealerlebens zwischen Großdealertür und Polizeiangel spürbar.
Moralisch konsequent und ohne Überraschungen
Wer auf der Suche nach einem wirklich spannenden Film ist, sollte sich eher bei Yildirim oder Akin umsehen. Die Geschichte, die in „Dealer“ erzählt wird, ist moralisch konsequent auf ein klares Finale hinauslaufend, das alles andere als überraschend kommt. Das ist aber auch nicht die Absicht des Regisseurs. Keine narrative Windung wird mit großem Brimborium aufgeblasen. Der Film meditiert lieber über das Gezeigte in gelegentlichen Off-Stimmen-Einschüben, die aber oberflächlich und wenig hilfreich bleiben. Die Kamera ist jedoch zu selbstgefällig-undynamisch, sodass die meisten Szenen mit einer einzigen Einstellung gedreht wurden. Die auswendig gelernten Dialoge entlocken den jungen Schauspielern hier und da leider ein paar Schwächen, die ein geschickter Schnitt vielleicht kaschiert hätte.
Türken in allen Rollen
Der Deutschtürke Arslan zeigt auf niemandem mit bösen Finger und stellt heraus, dass es immer noch dem eigenen Willen unterliegt, es aus dem schwierigen sozialen Millieu heraus zu hieven. Auch wenn die Geschichte selbst sehr pessimistisch damit umgeht, zeigt der Film doch auch Türken in allen möglichen Rollen. Als Täter, als Opfer, als Bosse und Laufburschen, als selbstständige Mütter und sogar als Polizisten.
Fatih Akin dürfte darüberhinaus den Film sehr gemocht haben, denn „Dealer“ ist eine interessante Ansammlung an deutschtürkischer Schauspieltalente, die man später in seinen größeren Produktionen bewundern durfte. So sind etwa Idil Üner („Im Juli„), Birol Ünel („Gegen die Wand“) oder auch Baki Davrak („Auf der anderen Seite“) im Film zu sehen, dessen Wandlung vom drogensüchtigen Stricher aus „Dealer“ bis hin zum türkischstämmigen Germanistikprofessor im Akin-Film besonders beeindruckend ist.
„Dealer“ ist ein sehr kurzer Film, der für alle Thomas-Arslan-Interessierte oder solche, die sich mit dem deutschen Migranten-Kino auseinandersetzen wollen, einen Blick wert sein dürfte. Einen spannenden Crime-Thriller sollte man trotz des Titels jedoch nicht erwarten, vielmehr dokumentiert Arslan den titelgebenden „Beruf“ anhand seines Millieus, der nicht aus krimineller Boshaftigkeit, sondern eher aus sozialer Notwendigkeit betrieben wird.
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