Kiss-Kiss-Hug-Hug: Coppola macht sich zur Komplizin ihrer Mädchenbande.
Originaltitel: The Bling Ring
Produktionsland: USA
Veröffentlichungsjahr: 2013
Regie: Sofia Coppola
Drehbuch: Sofia Coppola
Produktion: Roman Coppola, Sofia Coppola, Youree Henley
Kamera: Christopher Blauvelt, Harris Savides
Montage: Sarah Flack
Musik: Brian Reitzell, Daniel Lopatin
Darsteller: Katie Chang, Israel Broussard, Emma Watson, Taissa Farmiga, Claire Julien, Carlos Miranda, Leslie Mann
Laufzeit: 90 Minuten
Für die Clique um Nicki (Emma Watson), Rebecca (Katie Chang) und Marc (Israel Broussard) sind die Stars zum Greifen nahe. Die Teenager eifern ihren Idolen nicht nur nach, sie wollen in ihren Schuhen stecken, wortwörtlich! In immer haarsträubenderen und dreisteren Einbrüchen verschaffen sich die Teenager Zugang zu den Häusern der Stars. Anfangs ohne viel zu stehlen, mit der Zeit jedoch immer dreister und zwangsloser, mit immer mehr Andenken bestückt. Dass so viel kriminelle Sorglosigkeit nicht ohne Folgen bleiben kann, versteht sich von selbst. Bald rücken die jungen High Society-Diebe selbst ins Rampenlicht. Doch die Berühmtheit hat ihre ganz eigenen Regeln, was bald auch Rebecca und Nicki herausfinden…
Quelle: Moviepilot.de
Replik:
(ursprünglich erschienen als Post
im mittlerweile inaktiven Filmtiefen.de-Forum, 29.08.2013)
Das Thema von „The Bling Ring“ ist natürlich wie gemacht für das Regisseurinnendasein Sofia Coppolas: Dass sie nun eine talentlose Regisseurin sei, kann man ja nunmal partout nicht behaupten, aber sie ist nunmal die Tochter des großen Francis Ford Coppola und somit unabstreitbar in den Regiestuhl hineingeboren worden. Mit „The Bling Ring“ taucht sie jetzt in eine Welt der Glamour-Promi-Szene in Los Angeles ein, in der es auch genügend Stars gibt, bei denen man sich ernsthaft fragen muss, ob ihre Prominenz überhaupt gerechtfertig ist. Treffenderweise spielt Paris Hilton in „The Bling Ring“ eine große Rolle. Coppolas Film ist leider in keine Richtung wirklich dezidiert und ist selbst eher an der glitzernden Oberfläche seines Millieus fasziniert als dass er sich trauen würde, einen Blick darunter zu werfen.
Keine böse Kritik an der Glamourwelt
Irgendwo zwischen „Spring Breakers“ und „Project X“ könnte man das von Coppola Gezeigte ansiedeln. Wir haben höchst konsumorientierte Jugendliche, die vollkommen in ihrem rosaroten Kapitalismus eingemummelt sind und seine Schlachtrufe in die Nacht hinaus schreien. Wo „Spring Breakers“ aber perfekt verfremdet und seine Figuren letztlich dem Zuschauer ausliefert und „Project X“ den Konsumexzess immerhin auf eine beachtliche komödische Spitze treibt, ist „Bling Ring“ weit von einem erkennbaren, geschweige denn erreichtem Ziel entfernt. Die Mädchen-Clique samt schwulen Best-Buddy sind äußerst unsympathische, oberflächliche Flittchen, doch weder wird ihr Glamourfetischismus (ausreichend) humorvoll übertrieben, noch kann sich Coppola ein Herz fassen, die Mädels letztlich einer bösen Kritik auszusetzen. Mit HipHop und stylishem Bling-Bling unterlegt, geht der Versuch, etwas Mehrwertiges aus der „literarischen Vorlage“ (ein Vanity-Fair-Artikel) zu gewinnen, schief. Das Gefängnisschicksal der Girls ist kein Schrecken, sondern ein legitimiertes Nacheifern der großen Vorbilder á la Lindsey Lohan oder Paris Hilton.
Coole Paris-Hilton-Kissen
Aber wenn der Film schon mit Unterstützung von Paris, Lindsey und Co entstanden ist, die ja auch selbst darin mitspielen, kann man vielleicht auch nicht erwarten, dass Coppola zu hart mit ihnen ins Gericht geht. Schade, denn die Gleichung, dass die Fashion-Diebinnen aus „The Bling Ring“ dieselbe Oberflächlichkeit leben wie die Vorbilder, die sie bestehlen und gegen die sie sich kriminell betätigen, hat eigentlich Potenzial. Aber Coppola lässt ihren Figuren alle Rechtmäßigkeit sich in ihrem unnützen Materialismus zu suhlen. Wenn die Girls bei Paris einsteigen und an ihrer persönlichen Pole-Dance-Stange tanzen, ist Coppola ein Teil von ihnen und die eigentlich von aller Logik befreite Selbstliebe Paris Hiltons, die sich zuhause eigene Kissen mit ihrem Gesicht darauf hat drucken lassen (!), wird hier gar ein bisschen als coole Arroganz umschmeichelt.
Ein braver Witz inklusive Facebook-Herz
Der porträtierte Lifestyle wird nur so hauchzart auf die Schippe genommen, dass der porträtierte Lifestyle eben noch selbst darüber lachen kann. Jeder, der ein paar Luxus-Boutiquen am liebsten in Brand stecken würde, wenn er weiß, dass im selben Moment, in dem Paris Hilton heimkommt und nicht einmal merkt, dass ihr Klamotten im Wert von einer halben Million Dollar gestohlen worden sind, Kinder in Afrika Hunger leiden müssen, wird von „The Bling Ring“ sehr enttäuscht werden, da er eben nicht der Rachefeldzug gegen den Kapitalismus geworden ist, sondern einen braven Witz über ihn macht und ihm dann ein Facebook-Herz unter das Party-Bildlein postet.
Als Komplizin ihrer eigenen Mädchenbande macht sich Coppola zwar prinzipiell mitschuldig, man tut sich aber vielleicht ganz gut darin, sie freizusprechen und es bei einer Ermahnung zu belassen. „The Bling Ring“ ist keine Empörung vor solch einer oberflächlichen Welt, wie man es vielleicht gerne gesehen hat, es ist aber auch keine Agitation, sondern so etwas wie eine harmlose Dokumentation, wenn auch eine, die seiner Glitzerwelt mit Kiss-Kiss-Hug-Hug mehr hätschelt als wehtut.
45%
Bildrechte aller verlinkten Grafiken: © American Zoetrope / FilmNation Entertainment / NALA Films / Pathé Distribution / StudioCanal / TOBIS Film