Eine radikale Abrechnung mit dem amerikanischen Traum.
Originaltitel: Spring Breakers
Produktionsland: USA
Veröffentlichungsjahr: 2012
Regie: Harmony Korine
Drehbuch: Harmony Korine
Produktion: Charles-Marie Anthonioz, Jordan Gertner, Chris Hanley, David Zander
Kamera: Benoît Debie
Montage: Douglas Crise
Musik: Cliff Martinez, Skrillex
Darsteller: Selena Gomez, Vanessa Hudgens, Ashley Benson, Rachel Korine, James Franco, Heather Morris, Emma Holzer, Ash Lendzion, Gucci Mane
Laufzeit: 94 Minuten
Die Freundinnen Candy (Vanessa Hudgens), Brit (Ashley Benson) und Cotty (Rachel Korine) träumen davon, in den kommenden Frühlingsferien endlich aus ihrer College-Tristesse auszubrechen und bei den legendären Spring-Break-Feierlichkeiten in Florida mal so richtig die Sau rauszulassen. Da ihnen das nötige Kleingeld fehlt, überfallen sie kurzerhand einen Fast-Food-Laden. Mit ihrer schüchternen Freundin Faith (Selena Gomez) im Schlepptau, der es im Kirchenkreis gerade auch nicht mehr so gut gefällt, starten sie in Florida eine wilde Party-Tour voller Exzesse… bis das Quartett bei einer Drogen-Razzia von der Polizei verhaftet wird. Als überraschender Schutzengel erweist sich der durchgeknallte Dealer Alien (James Franco), der die Kaution stellt und die Mädels aus dem Knast holt. Während Faith die Sache nun zu heikel wird, sind ihre drei Freundinnen begeistert vom mondänen Lebensstil ihres Retters mit teuren Schlitten in der Garage und dicken Knarren an der Wohnzimmerwand. Bald erledigen sie als schwer bewaffnetes Trio im Bikini und mit Pussy-Riot-Maske Raubüberfälle für den Dealer. Doch Unheil zieht auf, denn einer von Aliens Konkurrenten plant eine blutige Abrechnung…
Quelle: Filmstarts.de
Replik:
(ursprünglich erschienen als Post
im mittlerweile inaktiven Filmtiefen.de-Forum, 05.04.2013)
Der jugendliche Rausch des Verbotenen. Man ist betäubt vom Alkohol oder von anderen Substanzen des täglichen Leben. Die Realität zieht schemenhaft an einem vorbei, man ist getrieben von Lebenslust und Spontaneität. Warum nicht da hochklettern, den anschreien oder da hinpissen? Warum nicht? Einfach machen. Die Versuchung der Amoralität, älter als die Gesellschaft selbst und doch umso schöner, je moralisch gefestigter bzw. fest gefahrener — wie man es sehen will — die Gesellschaft eben ist. „Spring Breakers“ ist die groteske Übertreibung des jugendlichen Rausches des Verbotenen ins Unermessliche, Unerträgliche, das dem Publikum trotz massenhaftem Oberkörperfrei schafft seine Dauerparty zu übersättigen. Aber auch mehr als das, denn offensichtlicherweise ist Korines Film auch ein bissiger Kommentar auf den amerikanischen Traum.
Zunächst stimmt der häufige Vorwurf: Titten
Der Spring Break — das habe ich auch erst durch den Hype dieses Films gelernt — ist der Name für die Semesterferien in den USA, der von den amerikanischen Studenten traditionell mit exzessivem Rauschmittelkonsum und Promiskuität zelebriert wird. So sind ca. 20 Minuten des Films tatsächlich nur Electronica, Titten, Titten, Alkohol, Gras, Titten, Koks, Titten und Titten … und nochmal Titten. Nebenbei werden die Spring Break-Bitches vorgestellt. Die drei doch gelinde gesagt recht nuttigen Cotty (Rachel Korine), Candy (Vanessa Hudgens) und Brit (Ashley Benson), sowie die christliche Faith (Selena Gomez), die unbedingt aus ihrer trostlosen Welt ihres Christencamps entkommen will. Um das Geld für den Spring Break zusammen zu bekommen, wird erstmal ein Diner überfallen und dann nach Florida gereist um Party zu machen. Nach einem Gefängnisaufenthalt wegen Drogenkonsums, werden die vier vom Möchtegern-Gangster Alien (James Franco) auf Kaution rausgelassen und die Party ihres Lebens nimmt noch größere Dimensionen an.
Ein Film gegen sein Publikum
„Spring Breakers“ ist entweder völlig falsch vermarktet worden oder wollte sein Publikum ganz gezielt Lügen strafen. Bei selten einem Film hat man so viele Zuschauer hinter einem erschöpft stöhnen und ihre Augen verdrehen förmlich hören können. Ein halbstarkes Publikum, das erwartet hat einen Film als „rauschhafte Party“ zu erleben, wie er im Programmheft angekündigt wurde, musste schnell enttäuscht feststellen, dass Harmony Korine kein Regisseur für konventionelles Spaßkino ist. Der Film ist experimentell, psychotisch und enervierend. Stimmen aus dem Off, die Telefonate an die Eltern darstellen und ihre Besäufnisse als „Einfach Spaß haben“ oder gar als „spirituelle Erfahrung“ verkaufen, werden rekurrent mit Waffen-Klickklackgeräuschen und wiederkehrenden Bildern über-, nebeneinander und gegenübergestellt, dass „Spring Breakers“ immer Rausch, Ekstase, aber auch Verkaterung und Gewissenskonflikt in einem ist. Bitterböse lässt Harmony Korine auch einen unschuldigen, pubertären Cast mit Disney-Vergangenheit vergewaltigen — in doppelter Bedeutung des Satzes.
Analytik oder Kotzen
Kamera-Ass Benoît Debie („Enter The Void„) tut seinen Anteil daran, den Film in eine unvergessliche Melanche zwischen verwaschener Pixelkotze und Schwarzlicht-Neonlicht-Optik irgendwo zwischen Rausch und Ernüchterung anzusiedeln. So schön der Film aber auch ist und nicht wenige Zuschauer sich, aufgrund der hochwertigen kinematografischen Oberfläche, dabei selbst ertappen dürften, sich in manchen Momenten auf die Seite der Mädels zu schlagen ist in „Spring Breakers“ genauso auch Deästhetisierung und Abgesang inbegriffen. Der Erzählstil Korines ist hier weit entfernt von klassischen Schemata und macht ganz gezielt, das Gezeigte schwer genießbar. Und das ist die große Leistung des Films: Während der verwandte und doch diametral-angesiedelte „Project X“ den Zuschauer als Mittanzenden entlarvt und die Macht und Gefährlichkeit der Partykultur aus der Egoperspespektive erörtert, übersteigert „Spring Breakers“ die Rauschhaftigkeit in so übertriebene Sphären, dass er grotesk wird und den Zuschauer in die Rolle des Passiven zwingt, sprich: Er kann den Partyhasen nur noch mit nüchterner Besorgtheit bei ihrem Treiben zusehen. Der Film übersättigt seine Dauerparty so sehr, dass man entweder in die Rolle des Analytikers fällt, der Gelegenheit bekommt, das Gezeigte zu hinterfragen und zu interpretieren oder aber in eine Brechreizstimmung zwingt, die bei vielen unvorbereiteten Rezipienten zur Kinosaal-Flucht sorgte und einer Erfahrung des ersten großen Besäufnis gleichkommt.
Eine Abrechnung mit dem amerikanischen Traum
Was also will uns der Film eigentlich mitteilen? Durch die Übertreibung des Partyzustandes wird die Unsinnigkeit und Unrechtsamkeit dieser Zelebration deutlich. Die Spring Break-Bitches feiern sich selbst und zwar auf dem Rücken, derer die sie für ihren Spring Break haben überfallen und müssen. „Spring Breakers“ ist also als eine radikale Abrechnung mit dem amerikanischen Traum, ach, mit Amerika an sich lesbar. Es ist einer der anti-amerikanischsten Filme überhaupt. Dieses kranke, moralisch-verkommene Land, das sein Alleinstellungsmerkmal in der Welt als Kulturführer und Globalpolizei schon längst nicht mehr moralisch rechtfertigen kann, falls es das jemals konnte. Somit ist der „Spring Break“, das dekadente, unverhältnismäßige Massenbesäufnis die perfekte Metapher auf ein Amerika, das sein Wohlstand mit Blut und Inhumanität erkauft hat.
Der fließende Übergang zwischen Party und Kriminalität
Als die vier Bitches den Pimp Alien kennenlernen, nimmt die Party eine völlig neue Dimension an: Auf einmal sind sie mitten drin in Kriminalität und offenvisieriger Amoralität. Für die gewissenhafte Faith reicht es an diesem Zeitpunkt und sie reist entnervt ab. Mit dem Bus fährt sie nach hause und die Figur ist ab diesem Zeitpunkt des Films komplett aus dem Spiel genommen. Gewollt-repetitiv kommt der Abgang der zweiten Figur Cotty daher, die nachdem sie von einer Kugel getroffen wird ebenfalls mit dem Bus abreist. Faith steht hierbei nicht nur für den Glauben, den sie mit ihrem Namen verkörpert, sondern auch für Unschuld und Gewissenhaftigkeit des Einfach-Feiern-Wollens, das nachdem dies nicht mehr möglich ist und auf die schiefe Bahn abgleist, konsequent die Reißlinie zieht. Cotty hingegen steht für die letzte fehlende Risikobereitchaft und Kompromisslosigkeit. Cotty ist nicht bereit für den grenzenlosen Hedonismus des Spring Breaks zu sterben; auch sie reist ab. Die Rückfahrt der Mädchen, die danach nie wieder zu sehen sind, haben etwas von einem TV-Casting: Eben noch der Star, auf einmal für alle Zeit vergessen. Übrig bleiben nur noch Candy und Brit, denen klar ist, dass sie zur Not für den Rausch ihres Lebens sterben müssen. Spätestens jetzt wird „Spring Breakers“ ein grotesker Amoklauf, der seine Spring Break-Bitches zu gewissenslosen Mörderinnen macht. Die eingangs erwähnte Lust des Verbotenens im Party-Rausch wird vom Regisseur kunstvoll überspitzt und doch ist etwas sehr Wahres dran: Die Übergänge zwischen Party und Kriminalität gehen fließend in einander über. Im Kleinen ist das ein zerstörtes Autofenster oder ein geklautes Verkehrsschild, im Großen ist das eine Gewaltorgie, die ihres Gleichen sucht. Der Spring Break wird zur völligen, bedingungslosen Auslebung der animalischsten Triebe.
„Spring Breakers“ ist eine rauschhafte Übertreibung einer westlichen Gesellschaft und ihrem maßlosen Hedonismus. Insoweit ein Film für Erwachsene, dass sein verführerischer ästhetischer Modus immer auch eine Menge erotischer Hedonismuskultur beschwört, die er gleichzeitig unterläuft. Über Harmony Korines Film wird noch lange geredet, nachgedacht, vieles nie vergessen und ebenso viel zwanghaft verdrängt — und ein wenig gekotzt. Wie nach einem Besäufnis. „Spring Break Forever, Bitches!„
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Wenn ich nur noch 1 Film watchen dürfte bis ich die, dann wäre es dieser am been! BURR SCURR!