Żuławski trifft Tarr. Absoluter Dreck als Kunstfilmkonzept.
Originaltitel: Трудно быть богом (Trudno byt‘ bogom)
Alternativtitel: Es ist schwer, ein Gott zu sein
Produktionsland: Russland
Veröffentlichungsjahr: 2013
Regie: Alexei German
Drehbuch: Alexei German, Svetlana Karmalita
Produktion: Viktor Izvekov, Leonid Yarmolnik
Kamera: Vladimir Ilin, Yuriy Klimenko
Montage: Irina Gorokhovskaya
Musik: Viktor Lebedev
Darsteller: Leonid Yarmolnik, Dmitri Vladimirov, Laura Pitskhelauri, Aleksandr Ilyin, Yuri Tsurilo, Yevgeni Gerchakov, Aleksandr Chutko, Oleg Botin, Pyotr Merkuryev
Laufzeit: 177 Minuten
Es ist schwer, ein Gott zu sein. Das lernt ein Team von Historikern auf die harte Tour, als sie auf den Planeten Arkanar entsandt werden, der in seiner Entwicklung wohl noch 800 Jahre brauchen wird, um den Standard der Erde zu erreichen. Die Besucher wollen live dabei sein, wenn die mittelalterähnliche Bevölkerung den Schritt hin zur Renaissance tut. Da sie aber nicht mit Gewalt in die Geschichte eingreifen dürfen, geben sie sich als Nachfahren der örtlichen Gottheiten aus. Doch dann beginnen die “Grauen Truppen”, Gelehrte und Intellektuelle abzuschlachten, und insbesondere Don Rumata fällt es zunehmend schwer, die Grausamkeiten, die um ihn herum geschehen, tatenlos mit anzusehen.
Quelle: moviepilot.de
Replik:
Wenn man behauptet, dass ein Film absoluter Dreck ist, meint man damit normalerweise etwas vernichtend Negatives. Bei „Hard To Be A God“ hingegen, dem letzten Film des russischen Kunst-Regisseurs Alexei German, ist das geradezu als Bewunderung ausgesprochen. Wohl kaum ein Film der Filmgeschichte hat das Schmutzige, Widerwärtige und Unschöne so reich zu einem Konzept der Ästhetik ausgeformt, das über eine stolze Spiellänge von knapp 3 Stunden in aller Kompromisslosigkeit zelebriert wird. Auch wenn bzw. gerade weil der bereits verstorbene German sich hier eindeutig bei den Vorbildern Andrzej Żuławski und Béla Tarr bedient, ist „Hard To Be A God“ eine der interessantesten filmhandwerklichen Leistungen des Kinojahres 2015. Für jeden echten Cinephilen eine echte Mut- und Kraftprobe.
Kein Tarkowskij, Dreck darf Dreck sein
Der Vergleich zum Landsmann Tarkowskij, der über diesen Film häufig ausgesprochen wurde und natürlich schon Ehre genug ist, greift bei Germans Film zu kurz. Gerade Tarkowskijs Filme „Stalker“ und „Andrej Rubljow“, die sich ebenso im Schlamm suhlen, wie es die Figuren in „Hard To Be A God“ tun, stellen darin eine poetische Schönheit heraus. Bei German geht es tatsächlich um das absolut Dreckige, ein Konzept von gebrochener Ästhetik, in der sein Film entgegen seines Titels wieder extrem irdisch, da körperlich wird. Im Ständigen Wiederholen des Ausstoßens diverser Körperflüssigkeiten regt dieser Film unseren Körper mehr als unseren Geist an, wo sich der Film also auf den ersten Blick so drastisch von typischem Körperlustkino Hollywoods entscheidet, da also nur, indem er das Prinzip in genau das Gegenteil verkehrt. Tatsächlich ist dieser Film auch wie ein exaktes Anti-Bild des sonst sehr strahlenden, heroisch dargestellten Mittelalters der Popkultur in Film, Literatur und Videospiel. Aber das ist natürlich nur ein Versuch, diesen doch wirklich sehr schwierig zu fassenden Kunstfilm in Worte zu fassen.
Jede Menge Tarr, eine stinkende Welt
Fest stehen jedenfalls seine bewundernden Bezüge auf Andrzej Żuławski und Béla Tarr, zwei großen Ästhetikern des Kunstkinos, die beide den russischen Kollegen Alexei German überlebt haben. Von Tarr, soviel dürfte jedem Zuschauer sofort auffallen, erbt German die schwere Schwarzweiß-Optik, der bis auf das Ende des Films auch vor allem um das Betonen eines dreckigen Grautons gelegen ist. Wie Tarr ist seine Welt furchtbar träge, schmutzig und stinkt nach altem Alkohol. Die Figuren führen lange Konversationen zwischen Sinnlosigkeit und philosophischem Gehalt, denen man unmöglich drei Stunden lang folgen kann. Irgendwann verlagert sich die Aufmerksamkeit auf die Oberfläche des Films. Das Kratzen, Schmatzen, Plätschern, Klopfen. Der Klang der rauchigen russischen Stimme des Protagonisten, wenn man ihn so nennen darf. Und natürlich das pessimistische Bild des absoluten Drecks, das sich immer wieder neu erfindet, ohne wirklich fortwährend damit zu erzählen. Durch eine Kamera, die äußerst ausgefallen agiert, über wahnsinnig gut ausgestattete Sets, verbunden mit einem beinahe unsichtbaren Schnitt und ellenlangen Plansequenzen. Soviel mag noch Tarr sein.
Assoziationskunst á la Żuławski
Das Żuławskische ist hier vor allem der höchst assoziative, aber auch eben höchstens assoziative Sinn, der hier hinter dem Bildtreiben steckt. Der Film ist wie ein Traum, aus dem man erwacht und sich an seine extreme Länge erinnern kann, jedoch kaum bis gar nicht an die Gesamtheit der Details. Nur einige Momente des Traums stehen einem sehr plastisch vor Augen. Genauso verhält es sich auch mit diesem Film. Bestimmte Momente vergisst man ganz, ganz schlecht, was meistens mit ihrer großen Ekelhaftigkeit, aber auch ihrer völligen Absurdität zusammenhängt. Für mich persönlich sind hier der Phallus-Pfahlbock zu nennen, den sein Betreiber mit dem Spruch „We’re killing whores“ einführt, aber auch eine verfaulende und verfallende Leiche, in der noch ein lebendes Herz pocht, sowie die furchtbar realistische Darstellung von abgetrennten Köpfen und erhängten Menschen, mit denen die Figuren von „Hard To Be A God“ herumspielen als seien es Kinderpuppen. Das alles könnte auch aus einem der unzugänglicheren Filmen aus der Feder Żuławskis stammen, die auch gerne in historischen Settings oder Science-Fiction-Welten angesiedelt werden. Gerade der Science-Fiction-Film „Der Silberne Planet“, in dem eine Gruppe Menschen auf einem fremden Planeten strandet und dort eine Kulturgeschichte wiederholt, erinnert stark an „Hard To Be A God“, ebenso wie das exaltierte Spiel der Schauspieler, sinnentleerte Dialoge und die sehr nahe Kamera-Arbeit, bei der mit Schauspielern, die die Kamera bemerken und in sie hinein starren aus einem Żuławski-Werk stammen könnten.
(Blei)schwer erkennbare Romanvorlage
Es scheint fast so als würden Programmhefte und Wikipediaseiten mehr über die Story des Films wissen als der Zuschauer, was vielleicht an der Kenntnis der Buchvorlage liegt. Die Geschichte, die der Film also erzählt und doch irgendwie nicht erzählt, handelt von Menschen, die auf einem erdenähnlichem Planeten landen und eine alternative Menschheit vorfinden, in der es die Renaissance nicht gegeben hat, sonst aber alles gleich ist. Diese Geschichte macht natürlich nur Sinn, wenn man sie als Metapher betrachtet, da sonst einfach lächerlich unwahrscheinlich ist, dass einfach alles auf diesem Planeten genauso ist wie auf der Erde, abgesehen von einer minimalen Zeitverschiebung natürlich. Da der Film sich aber im Grunde eh wenig für seine Handlung interessiert, lassen sich auch nur schwerlich Interpretationen dieser faszinierenden Schlam(mpam)pe von Film entlocken. Was bleibt ist ein fiebertraumartiges Ungetüm, das Versuche eines intellektuellen Zugangs mit Nachdruck frustriert. German erzeugt eine bleiern drückende, aber immerhin beeindruckend mitfühlbare Schwere der Ultrakunst. Hard to watch this film.
78%
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