Ein peinlicher Film über Jugend und Sexualität.
Originaltitel: Bang Gang (Une histoire d’amour moderne)
Alternativtitel: Bang Gang — Die Geschichte einer Jugend ohne Tabus
Produktionsland: Frankreich
Veröffentlichungsjahr: 2015
Regie: Eva Husson
Drehbuch: Eva Husson
Produktion: Laurent Baudens, Didar Domehri, Gael Nouaille
Kamera: Mattias Troelstrup
Montage: Emilie Orsini
Musik: Morgan Kibby
Darsteller: Finnegan Oldfield, Marilyn Lima, Lorenzo Lefèbvre, Daisy Broom, Fred Hotier, Manuel Husson
Laufzeit: 98 Minuten
Bang Gang spielt in den bessergestellten Vororten der französischen Kleinstadt Biarritz. Die Jugendlichen im Alter von 16 und 17 Jahren leben hier ein recht durchschnittliches Leben und erregen kein Aufsehen. Als die junge George (Marilyn Lima) sich allerdings in Alex (Finnegan Oldfield) verliebt, denkt sie sich etwas Besonderes aus, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Ein Spiel, das sowohl am Strand als auch im Bett gespielt werden kann, soll den beiden helfen, ihre eigene Sexualität auszuloten. Und so wird die Bang Gang geboren. (ES)
Quelle: moviepilot.de
Replik:
Wenn man einen Film über eine Gruppe von Jugendlichen macht, die permanent mit einander kopulieren, kann man genau zwei Dinge daraus machen: Einen Film, der diesen interessanten, da nicht unbedingt alltäglichen Gruppenstatus analysiert und daraus inhaltliche Mehrwerte ableitet. Das hat im Ansatz zum Beispiel schon Lars von Trier in „Nymph()maniac“ und seinem heimlichen Meisterwerk „Idioten“ gemacht. Oder man macht einen Film, der sich selbst auf seine vermeintliche Coolness und Krassheit reduziert. Und genau das und nicht mehr macht Eva Husson in ihrem furchtbar misslungenem Debüt „Bang Gang“ und bietet damit weniger Substanz und Klasse an als ein Pornofilm (denn dieser ist ja wenigstens ästhetisch konsequent, authentisch und stellt sich selbst in den seltensten Fällen als etwas Höheres dar, als er tatsächlich ist). Obwohl Husson ihren Film als einen Arthouse-Film über die moderne Liebe verstanden haben will, ist er nicht weniger peinlich als eine amerikanische Sex-Komödie und zudem nicht halb so gut gemacht.
Kein Bezug zur generationellen Realität
Husson zitiert, um das unwahrscheinliche soziale Gefüge von pausenlos mit einander schlafender Jugendliche zu erklären, erzählerische Fragmente aus Porno-Filmen (die ja was den westlichen Pornofilm angeht narrativ noch immer tief im Trash-Zeitalter verankert sind). Zum Beispiel ist der initialen Moment, der zu diesem Massen-Sex führt — wie könnte es anders sein? — ein Trinkspiel. Natürlich. Dabei nimmt sich der Film aber vollkommen ernst. Die Entstehungsgeschichte der „Bang Gang“ ist zwar nicht wirklich glaubwürdig, aber immerhin wohl nicht unmöglich. Im Laufe des Films verliert sich Husson aber mehr und mehr in absolute Logikaussetzer, die gnandenlos aufdecken, dass sie weder von der Jugend, der Zeit, in der sie lebt, noch von dem dargebotenen Fall des Sex-Exzesses eine wirkliche Ahnung hat. Die Liste hierzu ist lang. Eine Pornoseite mit Pay-Abonnements stampft einer der sechzehnjährigen Jungs mal eben an einem Nachmittag aus dem Boden, während die Eltern für „ein paar Tage“ nicht zuhause sind. Eines dieser Pornovideos wird später aber auf YouTube hochgeladen und nach einer Erpressung vom Uploader wieder heruntergenommen. Husson weiß wohl nicht, dass man Pornos auf YouTube nicht einfach so hochladen kann, ohne dass sie nach wenigen Minuten bis Stunden automatisch von YouTube gesperrt werden. Husson wusste wohl auch nicht, dass stark davon auszugehen ist, dass ein solches Video, gerade aufgrund der drohenden Sperre, sich innerhalb von Minuten tausendfach im Internet und auf Privatrechnern vervielfachen würde. Es ist gleichermaßen peinlich wie anmaßend, einen Film über „moderne Liebe“ und „Jugend“ zu machen, wenn man anscheinend nicht einmal einen Drehbuch-Lektor/Dramaturgen hat, der einen diese Logiklöcher aufzeigen kann, geschweige denn, dass man selbst über diese Bescheid wüsste.
Ernstgemeinte, aber behauptete Coolness
Es ist auch nicht besonders logisch, dass Sex-Exzesse mit bis zu 30-40 Leuten, die laut über Whatsapp-Gruppen angekündigt werden, weder Eltern, noch Lehrern oder Mitschülern in einer französischen Kleindstadt zu Ohren kommen. Und was ich überhaupt nicht verstehe ist, warum Husson in diesem Film behauptet ein Video, das George auf Ecstasy zeigt, während sie typisch enthusiastischen, aber harmlosen Ecstasy-Stuss erzählt, so ein großes Ding für die Schule ist, dass sie zum Mobbingopfer dadurch wird. In welcher Welt ist es uncool und mobbenswert auf Ecstasy zu sein?
„Bang Gang“ kann sich auch nicht in das Alibi einer (Halb)-Satire flüchten. Husson meint, nicht zuletzt aufgrund des fingerzeigenden Verweis auf „wahre Begebenheiten“, wie ernst sie es mit dieser Geschichte meint. Und gerade in dem Willen, einen authentischen Film über Jugendsexualität zu machen, beißt sich die filmische Form extrem in den eigenen Schwanz (pun). Es ist ärgerlich, wie Husson ständig Massensex mit wabbernden Electro-Bässen untermalen muss, um zu zeigen, wie krass und crazy das alles ist. Ein wirkliches Gefühl von Echtheit hätte der Film durch Beiläufigkeit erreicht. Dadurch, dass die Figuren nicht in allem, was sie tun einen tollen Spruch auf der Lippe hätten. Nicht, indem man Kokain-Konsum im Takt der Techno-Musik montiert hätte. Nicht durch diese unerträglich behauptete Coolness. Larry Clark hat das in „Ken Park“ wesentlich besser gemacht und wenn Lars Von Trier in „Nymph()maniac“ ebenso stilisiert und frech überhöht, dann steckt darin auch immer gleichzeitig Ironie und ein kluger Kommentar mit. Nichts davon ist in „Bang Gang“ zusehen.
Mutloser Softcore
Abgesehen davon ist es zumindest sehr fragwürdig, bei so einer Thematik und eines solchen Selbstverständnis der „Krassheit“ völlig auf hardcorepornografische Elemente zu verzichten. Man sieht zwar unerigierte Penisse und Venushügel, aber das war’s dann auch. Wir reden hier nicht von einem amerikanischen Mainstream-Film aus den 90ern wie „Boogie Nights“ (für den nichtsdestotrotz dieselbe Kritik gilt), sondern von einem französischen Arthouse-Film aus dem 21. Jahrhundert. Husson hat das Glück bei der Darstellung von Sexualität auf den Erfahrungsschatz und auch durchaus bewiesener kommerzieller Lukrativität der Filme von wahren Pionieren wie Gaspar Noé, Patrice Chéreau oder Lars Von Trier zurückzugreifen, die allesamt in der französischen Filmbranche ausgebildet wurden. Aber das nutzt sie nicht und filmt stattdessen Sex lieber entweder pseudocool-musikuntermalt oder ganz emotional überbeleuchtet wie in jeder Teenie-Romanze (siehe Cover). Und wie gesagt eben nie, auch nur halb so hardcore wie sich der Film gerne darstellt.
Ein paar Plusmomente
Bevor ich darauf eingehen möchte, dass dieser Film auch im schmalen Ideenskern ein ziemlich unsinniger Film ist, seien hier noch ein paar wenige Pluspunkte dieses Debütfilms hervorgehoben. Wir haben hier zwei Protagonistinnen, Laetitia und George, die beide weder als Figuren noch in der Entwicklung zu einander klar in Klischees einzuordnen sind. Später im Film taucht z.B. der obligatorische Freundschaftsbruch auf, aber weder kommt ein klassisches Rumgebitche, eine emotionale Aussprache oder eine wirkliche Racheaktion. Nein, die Figuren gehen sich fortan einfach aus dem Weg. In dieser unorthodoxen Schlichtheit ist das eine schöne und unvorhersehbare Komposition. Und dann macht der Film auch das interessante Manöver eines Protagonistinnenwechsels. Denn, wo wir am Anfang mit der Aufmerksamkeit noch eher bei der schüchterneren Laetitia sind, wechseln wir zum Ende zu der aufrichtigeren George. Und das geschieht recht sukzessive und ohne angeberische Kapitel-Erzählung oder Ähnlichem.
Moral und Ideologie [SPOILER]
Was Hussons Film nun aber den Todesstoß gibt, ist diese bescheuerte moralische Wendung am Ende. Fast alle Beteiligten bekommen schlussendlich nicht nur Ärger von den Eltern, sondern auch Syphillis. Es stimmt zwar, dass Syphillis wieder ein bisschen auf dem Vormarsch ist, aber warum macht man einen Film über maßlose Jugendsexualität, bei dem das einzige, was einem dazu einfällt, eine unangemessene Moralkeule ist. Laetitia bekommt als eine der wenigen keine Syphillis, weil sie Kondome verwendet. Sie hat aber genau einmal kein Kondom benutzt und wird sofort schwanger (quasi als alternative Moralkeule). Auch George bekommt keine Syphillis, aber kommt ja auch später mit dem schüchternen Jungen Gabriel zusammen, in den sie sich verliebt und von nun an monogam lebt. Ist das jetzt die Botschaft eines Films über freie Sexualität? Dass es nur Krankheit, Bastard-Schwangerschaft oder den Ausweg der Monogamie gibt? Man kommt bei diesem Überblick nicht darum herum, einen Film namens „Bang Gang“ konservativ, womöglich gar reaktionär zu nennen.
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Das soll wohl auch die Botschaft sein über freie Sexualität, übertrieben dargestellt – zu was es führen kann, eben weil man es nur als Spaß ansieht Sex zu haben und es viele ohne Hintergrundwissen betreiben. Man denkt es geht schon gut, genau wie mit Drogen. Deshalb bestimmt diese Mobbinggeschichte, in Hessens Film wird alles negativ dargelegt um abzuschrecken. Wobei Kiffen ja z.B. bald legalisiert werden soll, kontrolliert. Somit hätte Polizei Zeit für wichtigere Dinge, als „Kleinkriminelle“ zu jagen.