37 Filme von der Berlinale 2016. Von schlecht bis cool.
Wie enttäuschend auch Filme auf der Berlinale sein können, ist sie doch immer wieder ein Erlebnis. Es ist gleichzeitig Urlaub als auch obsessivste Ausübung meiner Obsession des Filmgenusses. Dieses Jahr war ich zum zweiten Mal akkreditiert auf der Berlinale und zum ersten Mal über die volle Festivalzeit in Berlin. Des Weiteren war ich nicht in Planungen von Filmkritik-Arbeitgebern eingebunden, weswegen ich tatsächlich schauen konnte was und wie viel ich wollte. Irgendwie überwog also ganz klar der Urlaubs-Charakter. Ich habe nicht alles geschafft, ich habe nicht jeden Menschen getroffen, den ich mir vornahm zu sehen und auch die Filme waren im Schnitt schwächer als erhofft. Aber schön war es allemal.
37.) „The Patriarch — Mahana“ (Lee Tamahoori, 2016)
Wettbewerb: Out Of Competion
Ich habe tatsächlich Leute getroffen, die diesen Film für einen der besten Film des Festivals hielten. Unter anderem auch Filmemacher-Studenten aus Australien. Von denen möchte ich in Zukunft keine Filme sehen, wenn sie eine derart klischierte, vorhersehbare und kitschige Romanverfilmung als vorbildlich erachten. Ein furchtbarer Film.
36.) „Alone In Berlin — Jeder stirbt für sich allein“ (Vincent Perez, 2016)
Wettbewerb
Hier war neben seiner bloßen unnötigen Existenz (die x-te Verfilmung eines Buchklassikers) nicht die Qualität an sich skandalös, sondern, dass dieser Film in den Wettbewerb gelassen wurde. Warum fragt man sich da. Das ist keine Filmkunst. Es ist schon gar kein Autorenfilm. Es ist ein ProSieben-Eventfilm mit identer qualitativer Ausprägung.
35.) „Liliom Ösvény“ (Bence Fliegauf, 2016)
Forum
Und ich sage in einem Radio-Interview noch, dass ich mich bei der Auswahl meiner Filme an Regisseuren orientiere, die ich bereits kenne. Stimmt, ich kannte und mochte „Just The Wind“ von Bence Fliegauf, aber den Regisseur Fliegauf kannte ich wohl doch noch nicht. Sonst wüsste ich wohl, dass er auch zu manierierten, schlecht gemachten Pseudo-Low-Budget-Kunstfilmen fähig ist.
34.) „Midnight Special“ (Jeff Nichols, 2016)
Wettbewerb
Der Anfang des Films ließ große Erwartungen aufkommen, aber im Laufe des Films wurde der Film immer mehr und mehr ein schlechter, verzweifelter Spielberg-Epigone, bis er es ihm dann im Ende mit einem sentimental-stumpfsinnigen, alle Interpretationsspielweisen radikal zunichte machendem Finale im negativen Sinne gänzlich gleichtat.
33.) „News From Planet Mars“ (Dominik Moll, 2016)
Wettbewerb: Out Of Competition
Die Quoten-Ü40-Franzosen-Komödie. Sehr schlechte und vorhersehbare Witze halten sich in etwa die Waage mit ein paar wenigen guten Witzen. Der Rest ist purer Durchschnitt. Platte Figuren, unausgearbeitete Plot-Strukturen. Insgesamt schwaches Mittelmaß.
32.) „Letters From War“ (Ivo Ferreira, 2016)
Wettbewerb
Der Pseudo-Kunstfilm des Festivals. Die Schwarzweiß-Bilder sollten wohl ein bisschen an „Tabu“ von Landsmann Miguel Gomes erinnern, ohne aber deren Qualität und Mehrdeutigkeit zu erreichen. Dieser Film bebildert einfach eine Romanvorlage bzw. deren real-existierende Bilder, ohne ihnen eine weitere Ebene hinzuzufügen. Eine ziemlich quälende Angelegenheit.
31.) „Buschow“ (Rosa Friedrich, 2015)
Boddinale
Ein Film von einer mir persönlich bekannten Jung-Regisseurin. Ein charmanter Film, der — und das ist das wichtigste! — eine eigene Handschrift erkennen lässt. Typisch für Rosa Friedrich sind Alltäglichkeiten, die in zuckersüßen Trivial-Poesien zelebriert werden. Einerseits auf verbaler Ebene, wo z.B. über die etymologische Negativität des Wortes „verliebt“ durch seinen Präfix „ver“ philosophiert wird, andererseits auch auf Bildebenen, weil Friedrich viel mit Choreographien und experimentellen Bildmotiven spielt. Dramaturgisch wäre meiner Meinung nach eine kurzere Spielzeit aber die richtigere Wahl gewesen, da Exposition zu repetitiv und lang ausfällt.
30.) „L’Avenir“ (Mia Hansen-Løve, 2016)
Wettbewerb
Dieser Film wurde von der Kritik fast vollständig in den Himmel gelobt. Nur warum? Er redet in einer Tour über Philosophie, bleibt dabei aber so philosophisch wie ein Stück Kuchen. Und genau das war er auch. Eine bequem konsumierbare Bourgeoisie-Kost, die sich selbst am meisten für ihre Konflikte interessiert. Insgesamt ein unsympathisch-selbstgefälliger Film, wenn auch Qualitäten im Handwerk nicht von der Hand zu weisen sind.
29.) „Cosmos“ (Andrzej Żuławski, 2015)
Woche der Kritik
Żuławski ist leider während der Berlinale 2016 verstorben. Aber ein Grund, seinen letzten Film deswegen in den Himmel zu loben, gibt es dennoch nicht. Ja, es ist ein weiterer Film, der Żuławskis Stil fortsetzt. Er erzählt aber nichts. Ich bin der Meinung, Żuławski war immer dann stark, wenn sein surrealistischer, exaltierter Stil sich an einer Geschichte gerieben hat, diese damit bereichert oder zumindest konterkariert hat. Dieser Film aber behauptet, er erzähle von einem künstlerischen Schaffensprozess. Das tun aber ohnehin schon seine sämtlichen Filme, da man sie immer als psychische (und damit kreative) Prozesse lesen kann. Dieser Film wirkt eher wie eine selbstzufriedene, immerhin aber nicht wirklich müde Stilübung.
Und es ist absolut verblüffend, geradezu gespenstisch, wie die französische Schauspielerin Clémentine Pons der deutschen Hannah Herzsprung ähnlich sieht.
28.) „Dog Days“ (Jordan Schiele, 2015)
Panorama Special
Bei 37 Filmen erwischt irgendein Film auch mal einen unkonzentrieteren Rezipienten. Aber bei „Dog Days“ war nicht Müdigkeit mein Problem, sondern dass ich gedanklich abgelenkt an ein eigenes Kurzfilmprojekt war. Und das, meine ich zu behaupten, hätte ein wirklich gut gemachter, mitreißender Film verhindern können. „Dog Days“ war nicht schlecht, aber sein unorthodoxer Handgriff, alles in größtmöglichster Detailverliebtheit zu erzählen, jede Busfahrt auszuerzählen usw., hat bei mir kaum Wirkung erzeugt. Schade.
27.) „Die Kommune“ (Thomas Vinterberg, 2016)
Wettbewerb
„Kollektivet“ war nicht nur mein meist erwartetester Film der Berlinale, sondern bis dato auch des gesamten Jahres 2016. Ich habe mir darunter eine sehr scharfsinnige Analyse einer intellektuellen Gemeinschaft vorgestellt, stattdessen rührt Vinterberg ein paar 68er-Klischees auf, setzt auf enttäuschend schablonenhafte Figurenzeichnungen und restituiert im Grunde wieder eine sehr konversative Gesellschaftsordnung.
26.) „United States Of Love“ (Tomasz Wasilewski, 2016)
Wettbewerb
Obwohl Tomasz Wasilewski ein bisschen aussieht wie Xavier Dolan, macht er ganz entschieden andere Filme. Ein bisschen wirkt „United States Of Love“ wie ein verzweifelter Versuch, sich dem osteurpäischen Miserabilismus anzuschließen und damit beim großen Berlinale-Festival hausieren zu gehen. Und was soll man sagen? Es hat ja auch funktioniert. Der Film geht mit einem Silbernen Bären fürs beste Drehbuch heim. Verdient war’s wohl nicht.
25.) „A Dragon Arrives“ (Mani Haghighi, 2016)
Wettbewerb
Vorweg: Ich bin froh, dass es dieser Film in den Berlinale-Wettbewerb geschafft hat. Es ist ein mutiger Mix aus Kriminalfilm, Fantasy und Dokumentation. Das geht? Jain. Es funktioniert im Falle von „A Dragon Arrives“ eben nicht vollständig, was zum einen daran liegt, dass der Genre-Anteil nicht immer überzeugend inszeniert ist und oft das Cheesige streift und zum anderen, da die dokumentarische Selbstthematisierung des Film-Prozesses wie ein erzwungener und höchst obligatorischer Verweis auf Abbas Kiarostami, den Übervater des modernen iranischen Kinos rüberkommt.
24.) „Jamais Contente“ (Emilie Deleuze, 2016)
Generation
Obwohl die älteren Zuschauer mehr über die herzlichen Momente in Emilie Deleuzes Film gelacht haben als die Teenager-Mädchen im Publikum, die ja eigentlich erklärten Zuschauer des Films sind, ist der Film geradezu in einem positiven Sinne pubertär. Denn hier versöhnen sich Tochter und Mutter am Ende — Spoiler — nicht.
23.) „While The Women Are Sleeping“ (Wayne Wang, 2015)
Panorama
Der Film beginnt stark und erzeugt gekonnt eine Spannung, die sich aus Unwissen des Zuschauers gegenüber der Handlung ergibt. Zum Ende verliert sich der Film aber im surrealistischen Wirrwarr.
22.) „Hedi“ (Mohammed Ben Attia, 2016)
Wettbewerb
Die Konflikte, die in „Hedi“ verhandelt werden, hat man schon etliche Male gesehen. Eigentlich kein Film für den Berlinale-Wettbewerb. Nur durch die implizite Thematisierung des IS (durch negativen Einfluss des Terrorismus auf den tunesischen Tourismus) scheint dieser Film beim politischsten A-Festival relevant.
21.) „War On Everyone“ (John Michael McDonagh, 2016)
Panorama
Weil der neue McDonagh auf Dialogebene wieder mal sehr erfolgreich ist, lässt er als unsinniges Action-Comey-Spektakel ein bisschen vergessen, wie oft man die Prämisse des Films schon gesehen hat und wie enttäuschend uninspiriert das Finale des Films daherkommt.
20.) „The Wounded Angel“ (Emir Baigazin, 2016)
Panorama
Emir Baigazin, man muss es ihm lassen, hat seinen eigenen Stil. Ein guter Stil, auf thematischer wie audiovisueller Ebene. Seine Filme sind in Tableaus verpackte Beobachtungen menschlicher Bösartigkeit und immer wieder wird dies durch jugendlich-männliche Protagonisten figuriert. „The Wounded Angel“ erscheint aber eher wie ein weiteres Exempel eines fertig entwickelten Autorenstils, statt einer Weiterentwicklung oder eine Nutzung des Stils um eine wirklich starke Geschichte zu erzählen.
19.) „Daughter Of The Nile“ (Hou Hsiao-Hsien, 1987)
Berlinale Classics
Keine Ahnung. Hou ist im cinephilen Lager ja eine heilige Kuh. Das ist (nach „The Assassin“) mein erst zweiter Film von ihm und ich sehe bisher (obwohl die Filme sujethaft unterschiedlicher kaum sein könnten) zwar einen talentierten und originären Stil, ich sehe aber nicht, inwiefern die Form hier den Inhalt vorantreibt. Eher im Gegenteil. Mal sehen, ob ich die Verehrung für Hou Hsiao-Hsien irgendwann werde teilen können. Bisher noch nicht.
18.) „Genius“ (Michael Grandage, 2016)
Wettbewerb
Ja, ein absolut standardisierter Hollywood-Film. Und das im Berlinale-Wettbewerb. Wahrlich nicht aus sich selbst heraus erfreulich. „Genius“ ist aber gekonntes Schauspielkino. Und vor allem schafft es der Film, dass man sich für den Konflikt zwischen Verleger und Autor interessiert und man bereit ist, dieses Duell der literarischen Geister auch mit einer gewissen Mehrdeutigkeit zu verstehen. Hier geht es auch um den Vater und den Sohn, um die Dankbarkeit und Undankbarkeit und darum, wer eigentlich mehr opportunistisch handelt. Ein sehr amerikanischer Film, aber ein guter Film.
17.) „Zero Days“ (Alex Gibney, 2015)
Wettbewerb
Das entscheidende Postulat von Alex Gibney, ist, dass er Zeiten von Cyberware mit dem Kalten Krieg gleichsetzt und sagt, der Virus sei die neue Atombombe. Eine These, die er stichhaltig bebildern kann, wenn auch äußerst konventionell in seiner Machart.
16.) „Saint Amour“ (Gustave de Kervern & Benoît Delépine, 2015)
Wettbewerb: Out Of Competition
„Saint Amour“ ist mehr als nur eine französische Landwirtschaftskomödie mit Gerard Depardieu. Hinter dem albernen, aber immerhin um eine eigenständige Note bemühten Humor des Films steckt die eigentlich sehr traurige Abhängigkeit von Liebe als sexuelle Bestätigung.
15.) „Hail, Caesar!“ (Joel & Ethan Coen, 2016)
Wettbewerb: Out Of Competition
Natürlich ein guter Film, aber für ein Coen-Film enttäuschend. Zu viel Klamauk und zu wenig wirklicher Scharfsinn in der Gegenüberstellung des Brot-und-Spiele-Motives des Alten Roms und Hollywoods.
14.) „Boris Without Beatrice“ (Denis Coté, 2016)
Wettbewerb
Mit sehr viel Stilverliebtheit inszeniertes Intellekt-Spiel. Denis Côté verwirklicht ein kaum kompromissbereites Filmstück über politische Macht, streift das Theaterhafte, ebenso wie das Lyrische. Mit diesem Film wird man nicht warm, aber seine Kühlheit mag zu faszinieren.
13.) „24 Wochen“ (Anne Zohra Berrached, 2016)
Wettbewerb
Der einzige deutsche Wettbewerbsbeitrag war ein besserer TV-Film. Sehr konsequent positioniert sich der Film im ethischen Diskurs pro Abtreibung nach sieben Monaten. Als ethisches Plädoyer funktionabel. Was der deutsche Film aber wieder braucht, ist explizit politisch zu sein. Dann gewinnt er auch mal wieder den Bären (der letzte Bärengewinner aus Deutschland „Gegen die Wand“ war mit seinem Migrationsdiskurs durchaus politisch). „24 Wochen“ fehlt auch der Autorenkinoimpuls. Als TV-Abend-Film eine Meisterleistung, als Berlinale-Film ein Fragezeichen.
12.) „Fuocoammare — Fire At Sea“ (Gianfranco Rosi, 2016)
Wettbewerb
Der Goldene Bär für den Film, der den aktuellsten politischen Diskurs bedient. Rosis Flüchtlingsdokumentation ist aber in der Tat ein guter Film. Den Tränendrüsenton, den sich viele Behandlungen desselben Themas bedienen, verkneift sich der Film. Mit Lampedusa als Ort des Geschehens umkreist er das Thema Flüchtlingsmigration. In manchen Momenten des Films fragt man sich, ob Rosi nicht zu weit weg vom Geschehen ist, während er in anderen Momenten rabiat die Kamera auf Tot und Verderben draufhält.
11.) „Death In Sarajevo“ (Danis Tanovic, 2016)
Wettbewerb
Ein guter Film mit großem Anspielreichtum auf die bosnische Geschichte. Aufgrund meiner nicht ausreichenden Kenntnisse über dieses Thema und der Tatsache, dass ich das Buch „Hotel Europa“ nicht gelesen habe, auf welche Tanovic hier häufig Bezug nimmt, lässt mich von einem finalen Urteil bisher noch ab.
10.) „Kater“ (Händl Klaus, 2015)
Panorama
Hier steht eine sehr authentisch dargebotene homosexuelle Beziehung im Vordergrund und zwar ohne unnötige Erklärungsreflexe wie das Kennenlernen oder das Outing. „Kater“ zeigt uns das eine homosexuelle Beziehung nicht nur ein Ziel, sondern selbst als Status Quo in Bewegung sein kann, wie eben eine normale Beziehung auch. Gesellschaftliche Zwänge von außen werden hier nicht verarbeitet. Unter den Gesichtspunkten seiner proklamierten Selbstverständlichkeit auf Eigenständigkeit ist der Teddy-Bär für den besten queeren Film des Festivals sicher gerechtfertigt.
09.) „Crosscurrent“ (Yang Chao, 2016)
Wettbewerb
Auch wenn es zwischendurch too much ist, dass diese filmische Lyrik hier lyrische Bilder, lyrische Off-Kommentare und auch noch echte Gedichte als Text-Einblendungen auffährt, bleibt „Crosscurrent“ ein weiterer beeindruckender Beweis einer autonomen filmischen Bewegung Asiens und vor allem Chinas, in denen immer wieder großartige, technisch über alle Zweifel erhabene Film-Gedichte entstehen.
08.) „Paris 5:59“ (Olivier Ducastel & Jacques Martineau, 2015)
Panorama
Ein Film, der sich des modernen Echtzeit-Modus bedient. Man erlebt 90 Minuten an der Seite zweier sich kennenlernender Pariser Schwuler. Dabei entstehen Momente großer Ehrlichkeit und Schönheit. Auch, weil sich der Film nicht so sehr um einen dramatischen Bogen schert. Die Realität kennt eben keine Fünf-Akt-Struktur (man könnte diese filmische Strategie durchaus als ablehnende Reaktion auf „Victoria“ verstehen).
07.) „Don’t Call Me Son“ (Anna Muylaert, 2015)
Panorama
Es muylaert wieder. Nach der ebenso klug geschriebenen Gesellschaftsbeobachtung „Der Sommer mit Mamã“ geht es in diesem Anna-Muylaert-Film weniger um brasilianische Gesellschaftsstrukturen und mehr um einen Kampf um das Recht auf eigene (sexuelle) Identität. Momente mit großer emotionaler Kraft werden nicht verheizt, sondern dramatisch sinnvoll und klischeefrei ausgespielt. Ohnehin eine Stärke der brasilianischen Regisseurin.
06.) „Ja, Olga Hepnarová“ (Petr Kazda & Tomás Weinreb, 2015)
Panorama
Ein heikles Thema, geht es doch um die Person Olga Hepnarová. Die größte zivile Massenmörderin der tschechoslowakischen Geschichte. Statt eines Psychogramms und/oder eines Historiendramas ist dieser Film aber eher ein kunstvolles Porträt, das den Diskurs eher aufflammen, denn wirklich kommentieren will. Stattdessen geht es den Filmemachern auch darum mit Schwarzweiß-Bildern ein gewisses Arthouse-Etikett zu wahren. Ein hübscher und gekonnter Film, inhaltlich kann sich jeder selbst seinen Reim darauf machen.
05.) „Soy Nero“ (Rafi Pitts, 2016)
Wettbewerb
„Soy Nero“ wurde von vielen Kritikern sehr negativ aufgenommen. Zu unrecht. Dass der Film mit äußerst greller, unsubtiler Symbolik arbeitet, was bereits am Titel anfängt, stimmt natürlich zu 100%. Aber die Anklage an die rassistische Rolle des reichen Nordens im globalen Nord-Süd-Konflikt, hier figuriert an einem mexikanischen Einwanderer, ist erfrischend unorthodox und irgendwie auch einfach ziemlich cool erzählt.
04.) „Being 17“ (André Téchiné, 2016)
Wettbewerb
Ein kleines Epos. Hier geht es gar nicht so sehr um Jugend oder Homosexualität, sondern auch um ein Gesellschaftsbild in einer beeindruckenden Komplexität. Und das alles gerade dadurch, dass man die Figuren aus ihren klassischen Milieus enthebt. Erzählerisch in einem ökonomischen, aber im Rhythmus doch nicht üblichen Vortragsstil verpackt.
03.) „Der Schamane und die Schlange“ (Ciro Guerra, 2015)
NATIVe – Indigenous Cinema
Gleichzeitig von Spiritualität und Zeitlosigkeit, gleichzeitig ein Film, der dem Zuschauer durchaus auch Momente der Emotion, der Komik und des zwischenmenschlichen Zaubers geben kann. Man sollte jedenfalls nicht meinen, „Der Schamane und die Schlange“ sei ein langsam-langweiliger Kunstfilm, nur weil er schwarz-weiß ist.
02.) „A Lullaby To The Sorrowful Mystery“ (Lav Diaz, 2016)
Wettbewerb
Ein gelungenes prosimetrisches Werk, das Erzählzeit effektiv dazu nutzt, um ein Gefühl für die mystische und mysteriöse Wesenheit des Waldes zu entwickeln, in dem der Film (hauptsächlich) spielt. Dieser Handlungsort funktioniert beispielsweise als symbolisches Bezugszentrum für die menschliche Seele, aber auch für die Herausbildung eines nationalen Bewusstseins (jeweils im Guten wie im Schlechten).
01.) „Ilegitim“ (Adrian Sitaru, 2016)
Forum
Immer mal wieder passiert es, dass ich auf der Berlinale einen Film zum Meisterwerk hype, den sonst kaum jemand feiert. 2014 war das noch „Tui Na„, dieses Jahr ist es der rumänische, ausschließlich improvisierte Film „Ilegitim“, der von einem etwas anderen Familien-Drama handelt. Mehr soll dazu gar nicht gesagt werden, denn „Ilegitim“ funktioniert vor allem im Unwissen hervorragend. Beeindruckend auch, wie wunderbar die dramatischen Strukturen in diesem Film sind, obwohl die sie prozesshaft am Set mit den Schauspielern nach und nach entwickelt wurden.
Preisverleihung der Herzen:
Goldener Bär: „A Lullaby To The Sorrowful Mystery“
Großer Preis der Jury: „Being 17“
Silberner Bär für bester Hauptdarsteller: Kacey Mottet Klein für „Being 17“
Silberner Bär für beste Hauptdarstellerin: Julia Jentsch für „24 Wochen“
Silberner Bär für beste Regie: Lav Diaz für „A Lullaby To The Sorrowful Mystery“
Silberner Bär für das beste Drehbuch: André Téchiné und Céline Sciamma für „Being 17“
Silberner Bär für herausragende künstlerische Leistung: Mark Lee Ping-Bing für die Kamera in „Crosscurrent“
Bobby-Bauer-Preis: „A Lullaby To The Sorrowful Mistery“
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