Zwei unterschiedliche Mütter, zwei erzählerische Zentren (dramatische Analyse)
Originaltitel: True Mothers
Produktionsland: Japan
Veröffentlichungsjahr: 2020
Regie: Naomi Kawase
Drehbuch: Izumi Takahashi, Naomi Kawase (nach einem Roman von Mizuki Tsujimura)
Bildgestaltung: Yuta Tsukinaga, Naoki Sakakibara
Produktion: Yumiko Takebe
Montage: Tina Baz, Roman Dymny, Yôichi Shibuya
Darsteller: Hiromi Nagasaku, Arata Iura, Aju Makita, Miyoko Asada, Reo Satō, Taketo Tanaka,
Laufzeit: 139 Minuten
Kiyokazu Kurihara (Arata Iura) and Satoko (Hiromi Nagasaku) are a married couple. They do not have children. They learn about plenary adoption and adopt a baby son. 6 years later, the couple live happily with their son Asato. They receive a phone call from a woman, who introduces herself as Hikari Katakura (Aju Makita). She is Asato’s birth mother. She tells them she wants her son back, but, if she can’t, she wants money. Kiyokazu and Satoko met Hikari one time in the past. At that time, Hikari was 14 years old. She was a nice girl, who gave them a letter for baby Asato. But when Kiyokazu and Satoko meet Hikari again, there is no image of Hikari as a nice girl anymore. Who is she? What is her purpose?
Quelle: asianwiki.com
Replik:
Fangen wir diese Replik einfach mal so an: Das ist möglicherweise Naomi Kawases bester Film. Jedenfalls ist es so, dass ich bei meinem ersten Film von ihr „Still The Water“ eine addiktive Kraft gefühlt habe, die ich seitdem in ihren Filmen gesucht, aber nie wieder gleichartig gefunden habe. Eine erzählerische Sogwirkung, die sich ganz aus ihren Figuren und dem Ort der Handlung zu ergeben schien, aber auch aus dem Rhythmus alldessen. Während sie mich in ihren letzten Filmen („Radiance“) ebenso wie die zweite Hälfte von „Still The Water“ eher enttäuscht hatte, irgendwie beliebig oder kompromissbereit gewirkt hat, ist die Roman-Adaption „True Mothers“ in meinen Augen endlich die nahezu ideale Vermählung der zwei zentralen kawaseschen Prinzipien: des ordentlich-konventionellen Figurendramas und des Dokudramas, das mit „realen“ Personen aus dem porträtierten Milieu arbeitet und damit die Filmhandlung mit großer Wahrhaftigkeit aufzufüllen vermag.
Zwei erzählerische Zentren
Im Stile der modernen Familientragödien des Kollegen Hirokazu Koreeda lässt Kawase hier zwei unterschiedliche Mütter auf einander treffen und interessiert sich für beide demonstrativ paritätisch. In einer erfrischenden Erzählstruktur wird liebevoll erschöpfend die Geschichte beider Frauen erzählt: die bourgeoise Adoptivmutter und die Teeny-Mama, die durch die Umstände der frühen Schwangerschaft in die Niederungen der japanischen Gesellschaft schlittert. Dabei reflektiert Kawase intelligent den Wert von Mutterschaft und inwiefern beide Frauen auch eine Verantwortung für einander haben. Einerseits ist „True Mothers“ ein Ensemble-Film, mit wirklich durchweg bravouröser Schauspielführung, die scheinbar so wenig Unterschiede zwischen gestandenen Schauspielerinnen, Nachwuchstalenten und Laiendarstellern zu kennen scheint, wie es Naomi Kawase mit ihrer philanthropischen Sensibilität gegenüber ihrer Figuren zu kennen scheint. Andererseits ist dieser Film auch in seiner erzählerischen Komposition bemerkenswert. Das doppelte Zentrum von zwei gegensätzlichen Müttern bekommt eine dramatische Entsprechung in zwei non-linear in einander verschränkten und auf einander zu bewegenden Erzählsträngen, deren genauer Aufbau wir uns noch einmal genauer ansehen wollen (siehe unten). Hier und da fehlt Kawases Film noch so etwas wie ein letzter dramaturgischer Schliff, kann sich aber dennoch in einer Tradition der neu entdeckten Soziologie alternativer Familienkonzepte im gegenwärtigen japanischen Film sicher als eine der überzeugendsten Arbeiten der letzten Jahre behaupten.
78/%
Bildrechte aller verlinkten Grafiken: © Kazumo / Kino Films / Kinoshita Group / Kumie / Playtime
2 thoughts on “True Mothers (quickshot)”